Heiner Müllers "Quartett" als Gastspiel des Teatro Stabile aus Turin im Marstall

Sex halbrealistisch stilisiert inszeniert, das können nur die Italiener sein

von Gabriella Lorenz

Libertins vor der Gefahr. Valter Malosti, Laura Marinoni. Foto: Fabio Lovino

Heiner Müller gibt für  „Quartett“ als Spielorte an: Salon vor der Französischen Revolution / Bunker nach dem dritten Weltkrieg. Der Bühnenbildner Nicolas Bovey sperrt eine sterbende Gesellschaft in das Krankenhauszimmer der sterbenden Marquise de Merteuil. Womit Müllers Schluss-Satz vorweggenommen und zum Ausgangspunkt wird. Das italienische Teatro Stabile Turin gastierte mit der „Quartett“- Inszenierung von Valter Malosti zwei Abende im Marstall.

Ein kahler Raum in lichtem Grau mit großer, milchiger Fensterfront, darin nur ein Bett (das selbsttätig herumfährt), ein Nachttisch, ein Infusionsgalgen. Hier spielen die Merteuil und ihr Ex-Liebhaber Valmont ihr letztes obszönes Spiel, in dem Lust und Sadismus, Sex und Tod eins werden. Heiner Müllers meistgespieltes Stück basiert auf dem Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos de Laclos, der 1782 mit dem Vernichtungskampf der beiden Libertins die Zertrümmerung jeglicher Moral beschrieb, betrieben mit bestialischer Kultiviertheit. Müller sah darin Terrorismus.

Dieser Aspekt scheint nicht auf bei Regisseur Valter Malosti, der selbst den Valmont spielt. Er inszenierte einen gepflegten Austausch schönster Gemeinheiten, die überdeutlich auch durch aufdringliches Licht illustriert werden. Mit Rokoko-Perücke liegt die Marquise (Laura Marinoni) im Negligé im Bett, fantasiert sich in einen Orgasmus mit Valmont. Der erscheint ebenfalls mit Perücke, elegant mit Stock und langem Mantel.

Bald beginnt das zynische Rollentauschspiel von Verführung und Tod der Opfer. Draußen tobt ein Gewitter – oder ist’s der Geschlechterkrieg? Ist von Hölle die Rede, leuchtet das Fenster glutrot, bei grünem Gift und blauem Gesicht entsprechend farbig. Hier ist man einen trockeneren Stil als das rhetorische Pathos und die gestisch große Theaterei der Italiener gewöhnt. Und wie Malosti Sex und (Selbst-)Mord halbrealistisch stilisiert inszeniert, ist unfreiwillig komisch.

Veröffentlicht am: 28.03.2014

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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