Eine Begegnung mit den Boettchers zum Start von "Omma Superstar"
Mit Herz für Männer und Hunde
Chaos. Die Damen stehen im Stau. Mit zehn Minuten Verspätung ist Grit Boettcher zum Interview da – es eilt, in 20 Minuten soll Probe sein. Tochter Nicole hat wenig später einen Parkplatz gefunden. In der Garderobe werden erst die beiden Chihuahuas versorgt. Derweil dreht Grit Boettchers Lieblings-Maskenbildnerin Monika Landes ihr schon Lockenwickler ins Haar, ein Kollege kommt zum Busseln, Regisseur Renè Heinersdorff schneit kurz rein. Nicoles iPhone auf dem Schminktisch klingelt immer, wenn sie grad nicht da ist, und Mama Grit findet nicht die passende Taste. Der echte, normale Theaterwahnsinn.
Grit Boettcher spielt seit den 1960er Jahren Boulevard-Theater, die Comedy-Serie "Ein verrücktes Paar" mit Harald Juhnke machte sie Ende der 70er zum Fernsehstar. Jetzt ist die Berlinerin 75 und lebt mit Sohn, Tochter und Enkeln in dem idyllischen Haus in Ismaning, das sie mit ihrem verstorbenen Mann gebaut hat. Als "Omma Superstar" zeigt sie in der Komödie im Bayerischen Hof, wie eine Seniorin zur TV-Karriere durchstartet. Im Lustspiel von Gunther Beth und Folker Bohnet nervt das ihre Bühnen-Tochter gewaltig. Die spielt Boettchers echte Tochter Nicole Belstler-Boettcher – sie war 15 Jahre die Sandra Behrens in der TV-Serie "Marienhof".
Seit Januar 2013 haben beide das Stück schon in Bonn, Düsseldorf und Köln gespielt. Trotzdem hat Grit Boettcher Lampenfieber vor der München-Premiere und beruhigt sich selbst: "Wenn das Münchner Publikum mir treu geblieben ist, muss ich keine Angst haben."
Für Meta Sommer erfüllt sich ihr Karriere-Lebenstraum, als sie zur Oma einer neuen TV-Serie gecastet wird: "Sie träumt sofort von großen Auftritten, tollen Kleidern, teurem Friseur", sagt Boettcher über Meta. "Doch dann spielt sie nur die einfache Oma, die Zwiebeln schneidet. Aber sie erfüllt diszipliniert ihren Vertrag und kann dadurch ihr Herzens-Sozialprojekt finanzieren."
Tochter im wahren Leben und auf der Bühne: Nicole Belstler-Boettcher. Foto: Schneider Press Franco Gulotta
Und sie lernt einiges dazu im Umgang mit ihrer Tochter, die sie immer bevormundet hat. Sandy ist nämlich gar nicht begeistert, als Mama euphorisiert in ihre Familie einbricht. Bei Boettchers zu Hause war das anders: "Du hättest Dich nie in unser Leben eingemischt, etwa bei der Wahl unserer Freunde", sagt Nicole. Grit bilanziert: "Ich hab' meine Kinder nicht erzogen, sondern einfach wachsen lassen und dabei vielleicht viel falsch gemacht. Meine Kinder meinten später, ich hätte öfter mal Nein sagen müssen. Aber sie haben sich selber fertig erzogen." "Unsere Erziehung bestand aus viel Liebe", sagt Nicole. "Wir haben menschliche Werte und Sinn für Gerechtigkeit gelernt."
Deshalb funktioniert auch die Koexistenz im Drei-Generationen-Haus: "Da hat jeder sein Leben und seinen Raum", das ist für Grit entscheidend. "Wenn was ist, hilft man sich. Der Zusammenhalt der Familie ist wichtig.“
Mutter und Tochter standen schon ein Mal gemeinsam auf der Bühne, aber nicht als Mutter und Tochter. Die spielen sie nun wirklich – und zwar völlig problemlos, versichern beide. Will da nicht manchmal die Erfahrenere Tipps oder Ratschläge geben? "Nur, wenn Nicole mich danach fragt", sagt Grit. "Aber wenn sie es nicht so gut machte, würde ich es auch nicht kritiklos akzeptieren."
Die Chihuahuas betteln artig mit Hundeblick um Leckerli, die Maskenbildnerin toupiert Boettchers Haare, der Regisseur kündigt kleine Änderungen an, Zeit zur Probe. Nicole hat ein Herz für Männer und betont extra: "Wir sind immer um 22 Uhr fertig und gefährden nicht die Spiele der Fußball-WM."
Komödie im Bayerischen Hof, bis 12. Juli 2012, Telefon 29 16 16 33, www.komoedie-muenchen.de