Interview mit dem Resi-Faust Werner Wölbern
"Die ewige Suche - da ist er uns ganz nah"
Mit Goethes „Faust“ begann Werner Wölbern seine Bühnenlaufbahn: Bei der Aufnahmeprüfung an der Folkwang-Schauspielschule sprach er daraus vor. Aber nicht den berühmten Faust-Monolog „Habe nun, ach…“, sondern einen Mephisto-Text. „Die Bösen interessieren einen mit 20 einfach mehr“, schmunzelt der 53-Jährige. Intendant Martin Kusej holte Werner Wölbern 2011 als Gast ans Resi – mit seiner Burgtheater-Inszenierung „Der Weibsteufel“. Jetzt muss Werner Wölbern die Seiten wechseln: Kusej inszeniert „Faust“ und Wölbern spielt die Titelrolle. In München hat zuletzt Dieter Dorn 1987 an den Kammerspielen diesen Inbegriff deutscher Dramatik grandios mit Helmut Griem auf die Bühne gebracht. Auf der heutigen Premiere (5.6.14) im Residenztheater lastet also großer Erwartungsdruck. Dafür wirkt Werner Wölbern im Gespräch ziemlich entspannt, obwohl er gerade erst vom Flieger aus Hamburg kommt, wo er mit seiner Familie lebt.
Herr Wölbern, die Bösen sind die interessanteren Figuren. Aber Faust ist auch nicht der Gute. Ist er nur so schlecht wie alle Normalmenschen?
Werner Wölbern: Wir alle, die wir unser alltägliches, immer gleiches Leben leben, fragen uns doch irgendwann, war’s das? Gibt’s da nicht noch was anderes? Wir wollen immer mehr haben und mehr anschaffen, an Geld und materiellen Gütern, an Wissen und Informationen. Aber eigentlich möchten wir etwas darüber hinaus. Das Göttliche, das Außermenschliche zu finden, ist eine große Sehnsucht. Das versuchen Menschen auf vielen Wegen. Aber im Grunde geht es immer darum, nur nicht stillzustehen, die Suche muss weitergehen. Da ist Faust ganz nah an uns dran.
Ist die Inszenierung entsprechend heutig?
Ja. Die Form ist sehr aufgebrochen. Manche sähen vielleicht lieber ihren klassischen Goethe, aber was heißt das schon? Man kann ja kein Museumsstück inszenieren. Wichtig ist: Was geht uns das heute an?
Martin Kusej hat in „Faust I“ Motive aus „Faust II“ eingebaut. Welche? Hochaktuell wäre die Erfindung des Papiergeldes, das eine gigantische Finanzblase erzeugt.
Das hatten wir überlegt. Stattdessen wirft zum Beispiel die Geschichte von Philemon und Baucis die Frage nach Fausts Schuld auf, der das alte Paar mit seiner Landgewinnungs- und Baupolitik zerstört und ermordet. Das erzählt die Geldgeschichte mit. Wir nehmen einiges aus „Faust II“, das zurück zur Thematik von „Faust I“ führt und die Figur komplexer macht.
Mephisto wird von einer Frau gespielt, von Bibiana Beglau. Verändert sich dadurch das Verhältnis zwischen Faust und Mephisto?
Am Probenanfang hat das für mich keine Rolle gespielt, da war Mephisto ein geschlechtsfreies Wesen. Aber Mephisto gebiert und schafft ständig Neues – so wurde das Thema Sinnlichkeit, Leidenschaft und Weiblichkeit wichtiger im Probenverlauf. Erotik ist aber nur ein Aspekt davon.
Sie gehörten jahrelang zum Ensemble des Hamburgers Thalia Theaters und des Wiener Burgtheaters. Seit 2008 arbeiten Sie frei und unterrichten Rollenstudium in Frankfurt. Was bringen Sie Schauspielstudenten bei?
Der Schüler muss selbst viel mitbringen. Einen Unbegabten kann man nicht zum Schauspieler ausbilden. Ich frage: Wo ist der Schauspieler in Dir? Wie kannst Du eine Persönlichkeit werden? Der Beruf ist sehr hart, dafür braucht man viel Substanz. Und eine emanzipierte Haltung zum Theater, die man intelligent begründen kann.
Fürs Unterrichten haben Sie Ihre Bühnentätigkeit ziemlich eingeschränkt.
Ich mache nur noch eine Produktion im Jahr. Nach 25 Jahren im Ensemble musste ich mal raus aus der Mühle. Und in Verbindung mit ab und zu Spielen oder Drehen macht das Unterrichten viel Spaß. Für „Faust“ habe ich mir ein Urlaubssemester genommen, sonst wäre das nicht gegangen mit elf Probenwochen. Ich habe es sehr genossen, wieder so stark einzutauchen in eine Arbeit, eine Reise und Suche.
Residenztheater, Premiere heute (5.6.14) 18.30 Uhr, Telefon 2185 1940