Zum Schwabinger Kunstpreis 2014

Grau und grauer - doch ewig lockt Wahnmoching

von Michael Grill

Die Festgesellschaft in der Verwaltungszentrale. Foto: Michael Grill

Der Schwabinger Kunstpreis ist ja sozusagen der Christian Ude unter den Münchner Kunstpreisen, womit gemeint ist, dass er erstens eine sehr spezielle, in München aber weit verbreitete Klientel anspricht, und zweitens, dass er scheinbar schon immer da war und alterlos ist, was aber gar nicht stimmt. Der Schwabinger Kunstpreis 2014 ging an die Zeichnerin Cornelia von Seidlein, den Filmhistoriker Helmut Färber und den Musiker Roman Bunka. In Wirklichkeit gibt es den Schwabinger Kunstpreis seit 1961, aber der heutige Alt-OB Ude hatte ihn fast ein Vierteljahrhundert lang geprägt, schließlich war die Kombination aus „Schwabing“ und „Kunst“ dazu angetan, dass Ude als Preisverleiher so sehr bei sich und den seinen war wie sonst kaum in einer Stadt, in der er ohnehin fast immer bei sich und den seinen gewesen ist.

 

Im Verwaltungszentrum der Stadtsparkasse (deren Kulturstiftung zu den Preisstiftern gehört; es gibt je 5000 Euro) an der schönen Ungererstraße fanden sich heuer 350 Gäste ein, von denen sich ungefähr 350 schon am Vorabend zugeprostet hatten, als Jung-OB Dieter Reiter (SPD) in der Nachfolge von Ude im Stadtmuseum seinen ersten Kulturempfang abgehalten hatte. Der Bank-Vorstandsvorsitzender Ralf Fleischer sang zur Begrüßung das alte hohe Lied auf Schwabing – und nannte das Wohl der Bürger eine Herzensangelegenheit für sein Institut, was zumindest für diesen Abend niemand bestreiten wollte.

 

In ungewohnten Rollen: Christian Ude (rechts) und sein Double Uli Bauer. Foto: Michael Grill

Rückblickend lässt sich feststellen, dass in so gut wie allen bislang berichtenden Medien ein bestimmter Umstand dieser Verleihung besonders raumgreifend herausgestellt worden ist, nämlich dass der Nicht-Mehr-Kunstpreis-Verleiher Ude auch einen Preis bekommen hat, und zwar einen undotierten Ehrenpreis. Schließlich war diese Ehrung eine bis dahin tatsächlich geheimgehaltene Überraschung, und das langjährige Ude-Double Uli Bauer brachte sogar irgendwie eine kulturelle Begründung zustande, die über langjähriges Verleihen von Preisen hinausging: „herausragende Leistungen in der darstellenden Kunst“. Also jedenfalls genug „Lob-Udelei“, dass der Umbruch in die neue Ära erträglicher wurde.

 

Vom Vorsitzenden der Jury zum Auch-Noch-Preisverleiher aufgestiegen ist schließlich Kulturreferent Hans-Georg Küppers, der sich selbst mit Bochumer Ironie sehr mutig fand, hier nun in die Stapfen von Ude zu treten. Vor allem aber hatte er verstanden, was der Schwabinger Kunstpreis vor allem braucht, wenn der Mythos nicht noch mehr leiden soll: „Ich werde nix zu Schwabing sagen.“

 

Der frühere Berliner Wissenschaftssenator (und noch frühere Münchner Stadtmuseums-Chef) Christoph Stölzl beschrieb als Laudator sehr schön das, was Cornelia von Seidlein macht: „Das ist es, was man angewandte Kunst nennt.“ - „Alles Überflüssige verdampft.“ - „So etwas wie abstrakte Kunst.“ - „Gehört in die Tradition spielender Künstler.“ Doch vielleicht gerade wegen der so sehr überbordenden Freundlichkeit blieb er der Person ferner als wahrscheinlich gewollt. „CvS“ war trotzdem „so geplättet, dass alles, was ich mir vorgenommen hatte, weg ist. Vielen Dank“.

 

Der Filmkritiker Rainer Gansera versuchte anschließend den Festgästen den Filmhistoriker Helmut Färber nahezubringen, indem er an dessen Selbstbeschreibung an der Filmhochschule HFF erinnerte: „Ich heiße Donald Duck und mache Filmgeschichte.“ Das müssen Zeiten gewesen sein, in denen das so sehr aufsehenerregend war. Färber nutzte seine Dankesrede zur Klage: „Es gibt in ganz Schwabing kein Repertoire-Kino mehr.“ Und weil das Repertoire-Kino gerade schon den kritischen Geist bewegte, legte er eine kleine wohlfeile Schippe drauf: „Der Mensch ist gerade dabei, die Welt zugrunde zu richten, und der Kapitalismus ist dabei ein gutes Hilfsmittel.“ Auch das musste raus, das Buffet wartete ja schon.

Doch zuvor schaffte es der Musik-Journalist Bernhard Jugel, ein sehr feines Porträt des dritten Geehrten zu zeichnen, des Saiten-Virtuosen Roman Bunka. Der lebe nicht nur „den Lebensstil der Boheme ganz gern“, er habe schon vor Jahrzehnten fränkische Schulturnhallen voller Kids zu atemloser Stille bringen oder später im Münchner Anarcho-Treff Milbenzentrum die Punks mit der Oud begeistern können: „Da gingen Jazz und Pogo zusammen.“

 

Eine immer noch seltsam klingende Ehrenplatzbeschriftung. Foto: Michael Grill

Wie dem auch sei, es war jedenfalls frappierend zu sehen, wie der Schwabinger Mythos und seine Freunde allmählich grau und grauer werden (was nicht gegen die Künstler oder ihre Kunst sprechen muss). Gleich zwei der drei Preisträger bekannten zudem, nur noch durch Zufall oder Vermietergnade im sogenannten Künstlerviertel wohnen zu können. Sollte man den Preis nicht künftig nach dem Glockenbach benennen, um etwas heutiger zu sein? Oder am besten gleich in In-die-umliegenden-Landkreise-Vertriebene-Kunstpreis? Muss aber auch nicht sein, solange man sich noch ein bisschen wärmen kann am Mythos von Wahnmoching.

Veröffentlicht am: 25.07.2014

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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