"Schlagobers" von Richard Strauss mit dem Gärtner-Ensemble in der Reithalle
Sahnebombe aus skurriler Mixtur
Russell Lepley (Dr. Boris Wutki), Rita Barão Soares (Oberschwester), Javier Ubell (Neffe), Alessio Attanasio (Dr. Ladislaw Sliwowitz). Foto: Marie-Laure Briane
Richard Strauss nannte sein Ballett „Schlagobers“ selbstkritisch eine „läppische Konditorei-Angelegenheit“. Wenn man es wortgenau choreographiert, dann gäbe es darin blumengeschmückte Fiaker zu sehen und jede Menge Leckereien: Lebkuchen, Zwetschgenmännchen, Bonbons, Torten und jene riesigen Töpfe, in denen die köstliche Sahne zum Naschen bereit steht, die man in Österreich Schlagobers nennt. Um dieses Ambiente herum eine Tanzgeschichte zu basteln, ist schon sehr mutig. Ein Firmling nascht beim Kaffeehausbesuch zu viel von allem, was einen Krankenhausaufenthalt unumgänglich macht. Es ehrt den Choreographen Karl Alfred Schreiner, „Schlagobers“ für das Gärtnerplatztheater in der Reithalle wiederentdeckt zu haben. Auch wenn man danach keine große Lust mehr verspürt, sich erneut damit beschäftigen zu wollen.
Anstatt sich an ähnlichem Wiener Schmäh – Bayers „Puppenfee“ – oder wenigstens an Tschaikowskys „Nussknacker“- Pointen zu orientieren, zog sich der Tanzchef des Gärtnerplatztheaters auf eine Mixtur aus skurriler Modern-Dance-Zappelei und sparsam klassischer Attitüde zurück. Die Tänzer winden sich, als wären die Pralinen mit Chili-Schoten gefüllt. Wohin man blickt, herrschen Unruhe und groteske Übertreibungen. Dabei hatte es Schreiner leichter als das Uraufführungsteam: 1924 waren die Zeiten keineswegs so, dass das Schicksal eines Firmlings, der sich in einer Konditorei mit Süßigkeiten den Magen verdirbt, auf allzu viel Verständnis gestoßen wäre.
Weil auch die Musik von Richard Strauss nicht gerade vor Einfällen überquillt, wird „Schlagobers“ kaum aufgeführt. Das Gärtnerplatzexperiment darf sich deshalb stolz „Münchner Erstaufführung“ nennen. Das Orchester sitzt auf einer Empore hinter der Tanzfläche. Dirigent Marco Comin kämpft sich durch die bizarren Witzchen der reichlich eklektischen Partitur. Seine Musikanten sind gut präpariert. Allzu viel Herzblut ist nicht zu spüren. Kein Wunder. Strauss bleibt hier weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Zum Nachprüfen: Das Detroit Symphony Orchestra unter Neeme Järvi hat große Teile der Partitur auf CD eingespielt (Chandos), der japanische Dirigent Hiroshi Wakasugi sogar die fast vollständige Musik (Denon).
Szenische Wunderdinge wären dringend vonnöten gewesen, am besten: die Quadratur des Kreises. Das wussten die Gärtnerplatz-Verantwortlichen wohl auch. Denn nur so lässt sich die Entscheidung nachvollziehen, es gar nicht erst mit zuckersüßem Glamour versucht zu haben. Wo die Musik schwülstig wird, setzt die Choreographie karge Akzente. Der Pas de deux von Kakao und Kaffee (Ariella Casu, Davide Di Giovanni) bleibt konventionell. Prinzessin Teeblüte (Marta Jaén) sucht sich ihr Plätzchen zwischen bulligen Matratzenwürfeln, die ständig hin und her gewuchtet werden.
Das Krankenbett im zweiten Teil ist von riesigen Scheinwerfern umzingelt. Es hat alle Qualitäten, Albträume auszulösen. Die Ärzte zackig und bedrohlich: Kuschelatmosphäre Fehlanzeige. Das Schaumbad-Vergnügen am Ende rettet nicht viel. Immerhin dürfte spätestens hier jedem der danach tapfer klatschenden Reithallenbesucher klar geworden sein, dass diese Sahnebombe nur den ganz mutigen Fans des Komponisten vorbehaltlos empfohlen werden kann.
Weitere Vorstellungen am 16., 17., 19., 20. und 21. Dezember 2014. Karten unter Telefon 089/ 2185-1960.