Organ Explosion stellen ihre CD Level2 im Cord-Club vor

Sprengköpfe mit Bratensauce

von Michael Wüst

Organ Boogaloo. Foto: Michael Wüst

Zurück in die Zukunft des guten, alten elektronischen Weltraums, als noch Captain Future, Herbie Hancock und Helge Schneider durch Wurmlöcher schossen und Hook-Line verseuchte schwarze Löcher mit Grütze und Bratensauce verschlossen. Bitte? Geduld: In ähnlich edler Mission jedenfalls war im Cord-Club auch Organ Explosion beim Release ihrer CD "Level 2" unterwegs.

Der Cord Club, selbst ein äußerst anheimelndes Exponat vergangenen Bar-Futurismus', war der ideale Platz - sagte man damals Location? - für Hammond A-100 und diverse Keyboards (Hansi Enzensberger), Fender Jazz-Bass 77 (Ludwig Klöckner) und Ludwig-Schlagzeug (Manfred Mildenberger). Auf der CD ist diese Grundausstattung für Inter-Club-stellare Trips episch erweitert um Wurlitzer, mehrere Farfisas, Hohner Clavinet, Fender Rhodes, Philicorda Wersi Comet (?), Korg Polisix (#?) und so weiter, und endet mit nachvollziehbarem Cable Spaghetti.

Jede Menge Blubb- Fiep- Wha- Gulp- Bruzzel- Schmier- Brizzel- Doppler-Schlieren, eigentlich alles, was heute zu Klingeltönen pervertiert ist, ist da geboten. Die älteren Semester im Club, die auch anwesend waren, mögen sich dazu ein hübsches Tänzchen mit Major Cliff Allister McLane und Tamara Jagellovsk nach gelungener Raum-Bredouille gewünscht haben.

Der Key-Commander Hansi Enzensberger. Foto: Michael Wüst

Aber bei all dem Spaß mit der verlorenen Zukunft der 70er Jahre - verzeih Helge -, was die drei da an tiefenentspannter Virtuosität ablieferten, war schon begeisternd. Allein die Hammond Orgel! Diese Instrument versetzt einen schon in Erregung, wenn man es da in seiner Schlichtheit neben Bruder Leslie nur stehen sieht. In Zeiten der großen Depression in den 30er Jahren war sie ja ursprünglich nur als eine billige Alternative für teure Kirchen-Pfeifen-Orgeln eingesetzt worden, vornehmlich in Vierteln mit starkem Anteil schwarzer Bevölkerung. Mit Fats Waller und Wild Bill Davies begann, was über den Grits´n Gravy (Grütze und Bratensauce!) des Soul Jazz von Lou Donaldson, Stanley Turrentine und Shirley Scott bis zu Fusion, Funk und Smoke over the Water führte.

Und bei all dem Spaß, den die Sprengköpfe von Organ Explosion dabei haben, sich in der Geschichte und in der Vielfalt der Spielzeuge komödiantisch zu verlieren, entstehen Momente reinen Hammond-Grooves. "Käsehoch 3" operiert ergreifend schlicht mit Brett-Akkorden, die der Rhythmusgruppe ins Gehege kommen. Die Dominante steigt nicht auf, sondern taucht nach unten. Darauf würde eine Miles-Linie gut passen. Keith Emerson taucht in anderem Gewand auf in "Jam Tune" in barocken Etüden und in "Benz" wird eine Serie von Future-Blurs trocken mit der Chick Corea-Phrase von Fiesta beendet. Und immer wieder bubbled Hancockartiges. Zusammen mit den Sounds von Atarispielhallen und der zickigen Erotik von Farfisa-Disco-Fox ergibt das in der Tat eine mindestens unterschwellig explosive Mischung. Nehmen Sie dazu nur herkömmliche Rauschmittel!

Veröffentlicht am: 14.05.2016

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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