Tänzerin Prisca Zeisel im Interview zur "Spartacus"-Premiere

Persönlichkeit in jedem Augenblick

von Isabel Winklbauer

Prisca Zeisel. Foto: Sascha Kletzsch

Die Russen kommen. Aber sie bringen eine Wienerin mit! Die Tänzerin, die im neuen Bayerischen Staatsballett bisher am angenehmsten auffällt, ist die 21-jährige Prisca Zeisel. Die Münchner haben die Demi-Solistin vor allem als Myrtha kennen und schätzen gelernt - und ihren Basiliskenblick, der sich schlagartig in eine zuckersüße Miene ändern kann. Kulturvollzug traf die sympathische Aufsteigerin kurz vor der Premiere zu „Spartacus“ im Probenhaus am Platzl.

Frau Zeisel, Sie waren sechs Jahre lang an der Wiener Staatsoper, zuletzt als hoch gehandelte Demi-Solistin. Wie sind Sie ans Bayerische Staatsballett gekommen?

Prisca Zeisel: Ganz gewöhnlich – ich bin zur Audition gefahren und wurde genommen. Ich habe gehört, dass Igor Zelensky große Tänzer mag, daher dachte ich, versuchst du es mal. Es hat geklappt!

Sie wollten bewusst mit Igor Zelensky arbeiten?

Bevor ich die Ausschreibung gesehen habe, wusste ich nicht allzu viel über ihn. Aber ich habe dann seine Youtube-Videos angeschaut und die Energie gesehen, die er ausstrahlt. Es ist eine tolle Chance, mit ihm zu arbeiten. Ich muss auch sagen, es ist angenehm, in einer Kompanie zu sein, in der alle neu anfangen. Alle haben denselben Start, alle müssen gleich arbeiten und lernen.

Als Myrtha versteinert sie mit Blicken. Foto: Jack Devant

Ist die Kompanie denn inzwischen zu einer Einheit herangewachsen?

Ja, so langsam sind wir wirklich ein Team. Igor hat eine starke künstlerische Vision und teilt sie uns auch gut fassbar mit. Gerade jetzt vor der Premiere herrscht auch eine besondere Stimmung in der Truppe. „Spartacus“ ist ja unsere erste „echte“ gemeinsame Premiere, die anderen Stücke haben viele vorher schon getanzt.

Wie läuft es mit den Tänzern der alten Kompanie, die jetzt nicht mehr so gut besetzt werden?

Sicher gibt es einige, die jetzt nicht mehr so gut beschäftigt sind wie früher. Aber diese Tänzer nehmen das alle mit einer großen Professionalität. Sie wissen ja, dass nicht wir Neuen schuld sind, sondern dass die Direktion so etwas entscheidet. Deshalb herrscht beim Training und den Proben auch keine schlechte Stimmung. Im Gegenteil, die Älteren helfen den Jüngeren, geben Tipps. Alle arbeiten mit Respekt vor einander.

Das Staatsballett hat sich technisch immens verbessert, wie am weißen „Giselle“-Akt zu sehen war. Stimmt es, dass das Training hart, aber gut ist?

Ja, man könnte das „tough love“ nennen (lacht). Tänzer arbeiten ja gerne hart, anders kommt man ja nicht voran. Igor gibt ein hohes Tempo vor, und wie er die Kombinationen aneinanderreiht ist eine Herausforderung. Aber das ist gut, denn selber ist man oft zu müde, um so ein hohes Level zu halten. Zur technischen Steigerung hat Iana Zelensky viel beigetragen. Sie bereitet Ksenia (Ryshkova, d. Red.) und mich auch auf die großen Rollen vor.

Matej Urban und Prisca Zeisel in "Spartacus". Foto: Wilfried Hösl

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Stars Natalia Osipova und Sergej Polunin?

Die beiden proben viel extra, sodass wir zum Beispiel bei „Giselle“ erst auf der Bühne aufeinander gestoßen sind. Ich kenne das so auch nicht. Aber wenn die Gastsolisten sich gut mit der Rolle auseinandergesetzt haben und das mit sich vereinbaren können, dann klappt es schon. Ich verstehe dieses isolierte Training auch ein Stück weit. Vielleicht wollen sie ihre Arbeit an der Rolle nicht in einer sensiblen Phase preisgeben, vielleicht wollen sie aber auch einfach nicht ununterbrochen toll gefunden werden. Wir Tänzer schauen schon viel aufeinander, sie würden schon sehr beäugt.

Gab es bisher nicht ein einziges gemeinsames Bier oder Kaffee mit Osipova und Polunin, mit niemandem?

Das weiß ich natürlich nicht, was die anderen machen. Aber die beiden sind nicht arrogant. Natalia Osipova kam neulich zu mir und fragte mich, wie sie als Aegina den Schal am besten tragen sollte und redete kurz mit mir über die Vorstellung. Ich glaube, sie wollen einfach den Focus auf ihre Arbeit richten.

Die Verkehrssprache im Bayerischen Staatsballett ist jetzt wohl Russisch. Wie funktioniert das im Training und bei den Proben zum Beispiel mit Ruslan Pronin und Oksana Tsvetnitskaya, die „Spartacus“ einstudierten?

Ich habe inzwischen selbst etwas Russisch gelernt. Für unsere beiden Spartacus-Ballettmeister gab es die ersten beiden Male einen Übersetzer. Danach haben sie Englisch geredet, so gut es ging. Für Tänzer ist diese Sprachbarriere aber nicht so schlimm, denn Tanz ist ja selbst eine Sprache, die jeder von uns versteht. Ruslan und Oksana haben deshalb alles bis ins Detail vorgetanzt, so dass uns alles glasklar war. Sie haben praktisch das ganze Stück vorgetanzt.

„Spartacus“ wird zum ersten Mal von einem westlichen Ballett getanzt. Was haben Sie durch das Stück Neues gelernt?

Die Arbeit mit Oksana Tsvetnitskaya an der Rolle der Aegina war für mich eine große Erfahrung. Ihr ist wichtig, dass alles weich und plastisch abläuft. Wie viele Russen legt sie Wert auf eine sehr gute Oberkörperarbeit und darauf, dass der ganze Körper die Musik und die Emotion der Rolle ausdrückt. Man denkt ja oft: Das mach ich doch eh schon. Aber dann geht es doch noch ein Stück besser. Es war eine sehr intensive Arbeit, aber genau diese Intensivität gilt es nun auf die Bühne zu bringen. In manchen Bereichen hat sie mir wirklich die Augen geöffnet.

In welchen?

So genau kann ich das nicht verraten. Aber zum Beispiel ist mir nun noch bewusster, dass man eine Rolle auch dann weiter gestalten muss, wenn die Variation beendet ist und man gerade nichts zu tun hat. Man muss jeden Augenblick mit seiner Persönlichkeit ausfüllen.

Aegina (P. Zeisel), die schöne Geliebte des Crassus. Foto: Wilfried Hösl

Sie haben richtig große Augen. Wie nutzen Sie sie?

Ich kann mit meinem Gesicht tatsächlich leicht verschiedene Charaktere darstellen. Das ist schon ein Vorteil. Das Schauspielern interessiert mich auch sehr. Wenn ich nicht tanzen würde, würde ich zum Film gehen! Tanzen fällt auch viel leichter, wenn alles organisch zusammenspielt, also Schritte, Mimik und Gestik eins sind. Wenn man Tänzer sieht, die sich nur mit den Schritten abstrudeln, verliert man doch nach fünf Minuten das Interesse.

Haben Sie Vorbilder?

Sylvie Guillem ist sicher ein Vorbild. Und die russischen Stars. Aber ich schaue eigentlich jedem aufmerksam zu, auch unseren Gruppentänzern. Ich versuche von jedem zu lernen.

Was ist Ihre Traumrolle?

Julia. Manon. Und Tatjana. Aber was ich wirklich unbedingt einmal tanzen will, ist Kitri in „Don Quijote“! Sie sprüht vor Energie. Sie ist ein leidenschaftlicher Charakter und weiß was sie will. Das ist das Schöne am Ballett – man kann mit der Rolle in Dinge eintauchen, die man im wahren Leben nie erlebt oder noch nicht erlebt hat.

Frau Zeisel, vielen Dank für das Gespräch.

"Spartacus", Nationaltheater, 22., 23., 25. und 29.12.2016, weitere Vorstellungen im Januar 2017. Die Besetzungen für Prisca Zeisel stehen noch nicht fest, bis 25.12. sind zunächst Natalia Osipova und Ksenia Ryshkova als Aegina zu sehen.

Veröffentlicht am: 22.12.2016

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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