Gärtnerplatztheater nach jahrelanger Renovierung wiedereröffnet
Comeback eines Unterhaltungstempels
Ein Höhepunkt der Gala: Das Ballettensemble des Staatstheaters bei der Johann-Strauß-Polka "Unter Donner und Blitz". Foto: Christian POGO Zach
Das Theater hat wieder seinen Platz oder vielmehr der Platz sein Theater: Nach fünf langen Jahren des Abreißens, Entkernens und Entstaubens hat das Gärtnerplatz-Theater mit einer kurzweiligen Gala Wiedereröffnung gefeiert. Im ausverkauften Haus spendeten die Zuschauer Beifall – Lohn für die Show, mehr noch Erleichterung über die Rückkehr in die Heimat, vor allem aber Vorfreude auf das runderneuerte Haus.
Fast hatte man sich schon an die staubige Wunde im Hipsterviertel gewöhnt. Jene Lücke im südlichen Stück der Gärtnerplatztorte, wo sich Technik, Werkstätten und Verwaltung des Gärtnerplatztheater befunden hatten. Früher einmal. Bis die Bagger anrückten. Dann gähnte dort eine Baugrube, langsam, sehr langsam nahm dann etwas Gestalt an: die neue Hülle für das Gärtnerplatztheater, das währenddessen als Wanderzirkus durch München tingelte, zwischen Prinzregententheater und Reithalle.
Fünfeinhalb Jahre dauerten die Arbeiten am Gärtnerplatz, der erst jetzt wieder, nun ja, als vollständig gelten darf. Als einer der lebendigsten Plätze Münchens, mit dieser prickelnden Atmosphäre, die sich nicht zuletzt aus der Vorfreude der Theaterfreunde nährt: Ja, auch die sind jetzt wieder da, die Freunde der nicht ganz so schwergängigen Hochkultur, die Theaterflaneure, die lustigen Witwen.
Zur Eröffnung kamen sie zahlreich und gut gelaunt, ein Grinsen im Gesicht, das an die Minuten vor der Bescherung erinnerte und ganz und gar nichts vom Ernst eines Staatsaktes hatte. Sie drängten sich vor den Stufen des Eingangs, zwischen ihnen stolzierten leuchtende Gestalten in Barock-Phantasiekostümen auf Stelzen, über die klassizistische Fassade des Theaters ließ eine Projektion so etwas wie goldene Tropfen herabperlen.
Dann der Eintritt in das neue alte Haus. Auf den ersten Blick hat sich wenig verändert, dann stellt man fest: Beton ist verbaut worden, im Kassenraum herrschen klare Linien. Nicht unelegant, das Ganze. Und es sind Lifte ins Foyer eingebaut – das Theater ist nun barrierefrei.
Das für 121 Millionen Euro aufgefrischte Haus selber wirkt entstaubt, ansonsten sieht man – von den schöneren Toiletten abgesehen und der neuen schummrigen Kellerbar – nichts Neues. Nicht als normaler Zuschauer jedenfalls, nicht als Gast. Denn das Geld steckt sozusagen hinten drin: Vor allem Künstler und Bühnentechniker könnten davon sprechen, wie sich der Orchestergraben vergrößert hat, wie Werkstätten so umgebaut wurden, dass Kulissenteile auf einer Ebene mit der Bühne transportiert werden können, wie es sich nun probt. Ja, das Proben ist ein ganz großes Thema im neuen Haus, es soll schöner, luftiger und besser gehen. Der Orchesterprobensaal, der als vieleckiges Ufo auf dem Dach über dem Dekorationsmagazin gelandet ist, scheint die Versprechen schon mal voll einzulösen. Und für Schauspieler und Tänzer gibt es Probebühnen endlich im Haus.
Alles Neuerungen, von denen man bei der Eröffnung natürlich nicht so richtig viel mitbekommt. In der „Es ist soweit“-Gala sieht dafür, was die neue Bühnentechnik so alles kann, und siehe da: Ein Bühnengebäude lässt sich sogar bei kreiselnder Drehbühne einstöckig und mühelos in die Höhe schrauben. Und man hört etwas: Frisch und transparent wirkt das Orchester. Das kann dem neuen Chefdirigenten Anthony Bramall sowie seinen Mitstreitern Michael Brandstätter und Andreas Kowalewitz am Pult geschuldet sein, wohl aber auch dem neuen Orchestergraben mit seinen Akustikpaneelen. Die Nachhallzeit – offenbar nahezu optimal. Der Klang scheint zu den stärksten Vorzügen des runderneuerten Hauses zu gehören.
Kunstminister Ludwig Spaenle berichtete launig von der Verwurzelung des Gärtnerplatztheaters im Münchner Humus seit seiner Gründung 1865 als Actien-Volkstheater. Intendant Josef E. Köpplinger verlieh seiner Erleichterung Ausdruck – „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie man sich fühlt“ - und erregte ansonsten Aufsehen dadurch, dass er in perfekt auf den Hintergrund abgestimmtem Anzug und ohne Schirmmütze auf die Bühne schritt. Mit gewohntem gelben T-Shirt wurde dagegen Kammerspieleintendant Matthias Lilienthal gesichtet, allerdings nur bis zur Pause – danach scheint er die Gala für sich abgebrochen zu haben. Womit er offenbar immer noch länger anwesend war als die Kollegen Martin Kusej (Residenztheater) und Christian Stückl (Volkstheater), die gar nicht gekommen waren. Wie auch Oberbürgermeister Dieter Reiter.
Ein Intendant eines so teuer renovierten Hauses muss natürlich auch etwas zum höheren Sinn des Theater sagen. Und so erklärte Köpplinger sein Gärtnerplatztheater charmant und paradox zum „Ort der gelebten Utopie“. Was die Gala danach natürlich nicht einlöste: Zu sehen waren überwiegend Kostproben vom Gebiet der leichteren Muse, Klassisches und überhaupt Bewährtes, was ausdrücklich kein Vorwurf sein soll: Das Gärtnerplatztheater ist eben zuerst auch mal Ort der gelebten Unterhaltung.
Orchester, 32-köpfiges Solistenensemble, Chor, Kinderchor und Ballett zeigten in zwei Dutzend Kostproben - von der "Ansprache an das Publikum“ aus dem Sondheim-Musical "The Frogs“ über die Orchestersuite zu „Star Wars“ und „Le Nozze di Figaro“ bis hin zu Berlins "There’s No Business Like Show Business" – was war, was geht, was sein könnte. Appetithappen halt, von Sigrid Hauser mit Zitaten zum Theater verbunden. Man hatte ja gar nicht mehr auf der Rechnung, wie viel Heinz Erhardt eigentlich zum Theater gesagt und gereimt hat. Eine Leistungsschau war das, ein Ausblick, kein Manifest. Es war kurzweilig, es tat nicht weh – es machte Appetit. Auf die neue Saison, die am Donnerstag (18.10.17) dann richtig beginnt: Mit Köpplingers Inszenierung von Franz Lehárs Operette "Die lustige Witwe".