Zum Rücktritt von Okwui Enwezor am Haus der Kunst
Die gesundheitlichen Gründe werden genannt
"Aufregende Kunst, aber keine Aufregung mehr“ – erst im Februar hatte man diese Devise aus dem Haus der Kunst vernommen. Jetzt dürfte es doch wieder etwas aufgeregter zugehen, denn Okwui Enwezor, der Künstlerische Geschäftsführer, hat seine Tätigkeit niedergelegt. Und zwar schon zum 1. Juni 2018. Das ließ das bayerische Kunstministerium in einigermaßen knappen Sätzen verlauten.
Enwezor, der den Ausstellungstanker seit 2011 geleitet hat, nannte gesundheitliche Gründe. Und tatsächlich war der 54-jährige Kurator seit längerem nur mehr sporadisch an der Prinzregentenstraße anzutreffen. Mit den Gesellschaftern des Hauses der Kunst habe sich Enwezor einvernehmlich auf einen Auflösungsvertrag verständigt, heißt es. Und Kunstministerin Marion Kiechle – der Freistaat gehört zu den Gesellschaftern – würdigte die „hervorragenden Ausstellungsprogramme“, durch die das Haus „sein internationales Ansehen erheblich stärken konnte“.
Ob das Ansehen gestiegen ist, darüber kann man sich trefflich streiten. Auf jeden Fall hat das dringend renovierungsbedürftige Haus für Aufsehen gesorgt. Sei es durch die langjährige Beschäftigung eines Scientology-Mitglieds im sensiblen Personalbereich, sei es durch die beträchtliche finanzielle Schieflage, in die das Flaggschiff für zeitgenössische Kunst geraten war. Etwa aufgrund der ausufernden, gleichwohl viel gelobten Mega-Ausstellung „Postwar. Kunst zwischen Pazifik und Atlantik, 1945 – 1965“. Die geplanten Folgeprojekte zum Postkommunismus und Postkolonialismus waren damit – zumindest in diesem Umfang – bereits fragwürdig geworden.
Für Enwezor, der sich 2002 durch die Documenta 11 einen Namen gemacht hatte, um dann 2015 mit der Kunstbiennale in Venedig gleich noch die zweite Großschau zu verantworten, mag das Haus der Kunst „eine künstlerische Position der Stärke erreicht“ haben, wie er betont. Nur fand diese Einschätzung bislang eher wenig Bestätigung durch die Besucherzahlen.
Wie es nun weitergeht? Der neue kaufmännische Geschäftsführer Bernhard Spies, der vor zehn Jahren die Bundeskunsthalle in Bonn aus den roten Zahlen geholt hat, darf seit März die finanzielle Seite in Ordnung bringen. Die Mitarbeiter und vor allem die wenigen verbliebenen Kuratoren stemmen das Programm seit längerem eh schon alleine. Doch wer will sich als Direktor einen maroden, hoch problematischen NS-Bau antun, dessen Generalsanierung unmittelbar bevorsteht? Abgesehen davon hatten die vom britischen Museumsspezialisten David Chipperfield vorgelegten Pläne, die einen behutsamen Rückbau des neoklassizistischen Gebäudes vorsehen, in Okwui Enwezor und Ex-Kunstminister Ludwig Spaenle ihre entschiedensten Befürworter.
Chris Dercon, der an der Berliner Volksbühne chancen- wie gnadenlos gescheiterte Vorgänger Enwezors, hat in München immer noch zahlreiche Anhänger. Aber wer geht schon zwei Schritte zurück? Zumal Bayerns Kulturdirigenten mit einem unbeschädigten, international bestens vernetzten Ass auftrumpfen wollen. Das allerdings sollte sich dann auch auf München und aufs Publikum einlassen.