"Das ist hier keine Vorlesung" - wie Claus Strunz bei Sat.1 die Zuschauer für Politik begeistern will
„Atom, Libyen - einmal Hü, einmal Hott: Macht Wählen noch Sinn?“ Über diese Frage stritten Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Gabor Steingart, Chefredakteur des Handelsblatts, bei der Premiere den neuen SAT.1-Polittalks „Eins gegen Eins“. Vor und nach der Diskussion ließ Moderator Claus Strunz das Studio-Publikum abstimmen. Ich glaube, dass daraus ein schöner Realitätstest für Argumente wird“, glaubt Strunz, hauptberuflich Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“. Nun ja, Erkenntnisgewinn der ersten Talk-Runde: Vor und nach dem Rededuell erkannten 80 Prozent den Sinn von Wahlen.
Ob’s nur an der etwas unglücklich gewählten Fragestellung lag, wird sich zeigen: „Muslime in Deutschland: Soll bestraft werden, wer sich nicht integriert?", will Strunz heute (28. März 2011) wissen. Und dieses Mal könnte es richtig heiß werden: Einen Tag vor der Islamkonferenz in Berlin treffen Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) und SPD-Innenexperte Sebastian Edathy im SAT.1-Studio aufeinander. Der gebürtige Franke Strunz hat in München studiert und bei der Abendzeitung seine journalistische Laufbahn begonnen.
Herr Strunz, will der SAT.1-Zuschauer denn überhaupt eine politische Talkshow?
Davon gehen wir natürlich aus. Mehr noch: Ich glaube, dass er eine verdient hat. Politik interessiert jeden, wenn sie interessant präsentiert wird.
Es gibt Experten, die glauben, dass die jungen Zuschauer der Privaten gar nicht mehr die Geduld und das Durchhaltevermögen für eine politische Gesprächssendung aufbringen können.
Aber selbst Formate wie das „Dschungelcamp“ beweisen doch, dass sie sich auch heute noch mehr als eine Stunde Zeit nehmen, um fernzuschauen. Die Frage ist nur, mit welchen Mitteln man das schafft. Beim „Dschungelcamp“ ist es eindeutig die Nähe, der Zuschauer fühlt sich ganz nah dabei.
Aber das „Dschungelcamp“ besteht auch aus vielen kleinen Häppchen.
Ja, es ist keine eineinhalbstündige Vorlesung – etwa aus der Doktorarbeit zu Guttenbergs. Aber auch wir stehen nicht 45 Minuten nur da und sprechen ausschließlich. Es gibt einen Einspielfilm, der ins Thema einführt. Darüber hinaus zieht jeder der beiden Kombattanten im Laufe der Sendung einen Experten zu Hilfe. Hinzu kommt ein Gedanke aus dem Sport: Wir veranstalten einen Wettkampf um das bessere Argument – und am Ende erfährt der Zuschauer, ob er mit seiner eigenen Meinung bei den Gewinnern dabei ist oder nicht.
SAT.1 hat „Talk im Turm“ 1999 aufgrund mangelnder Zuschauerresonanz eingestellt. „Explosiv – Der heiße Stuhl“ stampfte RTL bereits 1994 ein…
Ja, stimmt. Aber umso mehr, muss man doch honorieren, dass SAT.1 ernsthaft versucht, neben der Unterhaltung auch journalistische Kompetenz anzubieten.
Aber wie ernsthaft versucht das SAT.1 tatsächlich? Der Sendeplatz ist Montags um 23.30 Uhr nachts. Vergangene Woche schalteten gerade mal eine Million Menschen ein.
Natürlich kann man so spät am Abend nicht so viele Zuschauer erreichen wie etwa um 20.15 Uhr. Für den Start ist der Sendeplatz aber intelligent gewählt. Nach der Sommerpause wird es zu dieser Zeit keine Talk-Konkurrenz geben.
Das heißt, der Sendeplatz ist schlecht genug, um dort die neue ernsthafte Schiene ausprobieren zu können?
Nein, der Sendeplatz ist ideal, um etwas zu wagen. Ich habe noch kein Format gesehen, das bei der ersten Sendung bereits genau so aussah, wie später, als es dann erfolgreich war. „Eins gegen Eins“ bekommt auf dem Sendeplatz nun die Chance, sich zu entwickeln und als qualitätsvolles journalistisches Format zu einem Aushängeschild des Senders zu werden.
Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgabe in der Sendung, heizen Sie die Diskussionen zusätzlich an?
Ich bin der Anrichter und Richter. Die Zuschauer im Studio sind die Geschworenen. Ich denke, es wird Sendungen geben, in denen ich versuchen werde, die Tonlage etwas zu verschärfen und welche, in denen ich Schärfe wegnehme. Ich werde darauf achten, dass die Argumente im Mittelpunkt stehen: Dafür oder Dagegen, Ja oder Nein – das ist "Eins gegen Eins".
Die ARD plant eine zentrale Gäste-Datenbank, damit sich die Talkformate nicht gegenseitig in die Quere kommen. Wie wollen Sie da mithalten?
Es wird Wochen geben, in denen man im gleichen Teich angelt. Es wird aber auch viele andere geben, in denen man sich allein mit der Themensetzung so viel Freiraum schafft, dass man sich gar nicht erst in Gehege kommt. Dass die ARD aber jetzt einen Koordinator für ihre Talkshowgäste installiert, zeigt ja auch deren Problematik. Man hat das Gefühl, dort ist immer alles gleich mit den gleichen Leuten.
Montags, 23.30 Uhr, SAT.1
Interview: Angelika Kahl