Eine Kurzgeschichte von Maria Levina

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von kulturvollzug

Gefangen im eigenen Sein – ein Blick auf das Unwirkliche. Foto: Maria Levina

Über das Verlangen nach echter, überwältigender Erfahrung – nach einem Moment, der einen aus dem Erstarren reißt.

Von Maria Levina

Ich sitze auf dem Sofa, es läuft der Fernseher, ich lache immer wieder. Teddy liegt in seinem Körbchen und schnarcht. Eines meiner Beine ist ausgestreckt und das andere aufgestellt, meine linke Hand liegt auf dem aufgestellten Knie.

Ist das meine Hand? Ich schaue sie an, bewege die Finger. Damit habe ich vorhin noch Klavier gespielt. Ich verstehe nicht, ob die Hand zu mir gehört oder meine Beine. Mein ganzer Körper scheint fremd. Wie sieht mein Gesicht aus? Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich mein Gesicht. Aber ich kann es nicht beschreiben, manchmal bin ich nur meine Augen. Im Moment bin ich nur meine Augen. Diese Körperlosigkeit ist eigenartig. Nichts ist greifbar. Die Langeweile bringt mich um, ich stehe still, ich bin eingesperrt, ich kenne alles, ich weiß, was zu sagen ist, ich weiß was zu tun ist. Nichts überrascht. Wo ist die Lebendigkeit? Wo ist die Intensität? Wo ist mein Körper? Ich will Koks, ich will Wein, ich will rauchen, ich will tanzen. Nein! Nein. Das ist keine echte Emotion, das ist nicht das Greifbare. Das ist giftige Leere, die voll erscheint und doch nur trügt. Sie bindet und lässt nicht mehr los. Sie lässt los und du erkennst dein Gesicht nicht mehr. Ich will Lebendigkeit, die mich aus der Bahn wirft! Ich will vor dem Spiegel stehen und mich sehen und kaum glauben, was gerade in diesem Moment passiert – viel zu viel, totale Überforderung. Wahrer Genuss, der aus mir herausbricht und alles um mich herum umschlingt.

Meine Hand liegt auf dem Knie und ich sehe nichts, Teddy schnarcht.

Veröffentlicht am: 07.03.2025

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