Zum 75. des Dirigenten Zubin Mehta: Womit verführt er am schönsten?

von Volker Boser

Zubin Mehta, hier bei einem Konzert in Mumbai. Foto: Apoorva Guptay (Wikipedia) via CCBY2.0

Vermutlich weiß er noch ganz genau, wie es war, als er sein Medizinstudium schmiss: in der Anatomiestunde hatte ihm sein Dozent vorgeworfen, den Tag zu verträumen anstatt den kleinen Haifisch vor ihm fachgerecht zu zerlegen. Da soll er genervt erwidert haben: „Zerstückeln sie ihn doch selbst“ – und davon gestürmt sein.

So jedenfalls weiß es Cyrus Meher-Hornji im Textheft einer CD-Box zu berichten, in der Decca einige der schönsten Einspielungen Zubin Mehtas zusammengefasst hat. Etwa Bruckners achte Symphonie: zum Zeitpunkt der Aufnahme war der Dirigent, der am Freitag seinen 75.Geburtstag feiern konnte, gerade mal 38 Jahre alt. Für Bruckner ein Teenager - dennoch unterscheidet er sich wohltuend von dem Pathos, das ältere Kollegen damals für die einzige Wahrheit hielten.

Bis heute gehören die wenigen Bruckner-Aufnahmen Zubin Mehtas zu seinen überzeugendsten Einspielungen. Auch Richard Strauss, bei Sony und Decca erschienen, gehört zum eisernen Bestand. Ob Alpensymphonie, Zarathustra oder Don Quixote – Mehtas Musizieren ist hier stets von verführerischer Überzeugungskraft.

Wagner hat der Dirigent eigenem Bekunden nach erst während der Zeit als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper richtig begriffen. Davon profitiert der 2007 auf DVD mitgeschnittene „Ring“ aus Valencia, in dem Mehta gleichsam der Ruhepol ist inmitten der von La Fura del Baus geräuschvoll inszenierten Bilderwelt.

Obwohl er gerne und reichlich Oper dirigiert, sind unter seinen Einspielungen von Bühnenwerken nur wenige, die uneingeschränkt empfohlen werden können. Das liegt vor allem daran, dass die sängerischen Leistungen immer problematischer geworden sind. Verdis „Aida“ und „Falstaff“, Puccinis „Tosca“, Mozarts „Figaro“ profitieren zwar von der empfindsamen Souveränität des Dirigenten, können aber mit den Spitzenaufnahmen nicht mithalten.

Schade, dass es kaum Einspielungen klassischer Symphonien von ihm gibt. Dafür so manche Rarität wie die vierte Symphonie des Österreichers Franz Schmidt oder Werke von Schönberg. Und natürlich eine Menge Mahler – womit er ganz im Trend der Zeit liegt. Heute (29. April 2011) feiert Mehta seinen 75 Geburtstag.

 

Veröffentlicht am: 29.04.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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