Hendrix am Auermühlbach: Die stillgelegte Kraemersche Kunstmühle in Untergiesing soll zum Kulturort werden – aber leise!
Kultur statt Mehl: In der Kraemerschen Kunstmühle in Untergiesing wird experimentiert. Foto: Kunstmühle
Dieser Ort rührt jeden an: Fünf Gehminuten vom U-Bahn-Ausgang Candidplatz und einer der hässlichsten urbanen Brachen Münchens entfernt ist man plötzlich in einer stillen, idyllischen Welt, umstanden von Bäumen und dezent umrauscht vom Auermühlbach. Hier, unmittelbar am Isarhang zwischen Giesinger Berg und Harlachinger Berg, steht die stillgelegte Kraemersche Kunstmühle, in der von 1863 bis vor einigen Jahren Mehl für den Münchner Osten gemahlen worden war.
Der Betrieb einer Getreidemühle lohnte sich nicht mehr, das Mühlrad treibt heute eine Wasserkraftturbine an. Demnächst sollen hier Büros, eine Kindertagsstätte, eine Kaffeerösterei und ein Tagescafé einziehen. Und dazu – das ist ungewöhnlich im immer noch rau-bodenständigen Untergiesing – eine Halle für Kultur. Da noch nicht alle Genehmigungen erteilt sind, fand ein erster Testlauf mit dem Solobassisten Jaques Bono am Donnerstag im Rahmen einer geschlossenen Gesellschaft statt. Bono spielte mit vollem Körpereinsatz Johann Sebastian Bach und eigene Kompositionen. Dabei könnte man beim klassischen Material so manche unsauber schnarrende Saite bemängeln, wenn man nicht schon so beeindruckt gewesen wäre vom fingerbrecherischen Experiment, Bach überhaupt auf den E-Bass zu bekommen. Beim modernen Teil war Bono dann ohnehin ein virtuoser Hendrix auf vier Saiten.
Diese Art von Klangexperiment geht jedenfalls in die Richtung, die von der Familie Kraemer in der wunderschönen alten Lagerhalle mit ihren gusseisernen Säulen angestrebt wird: Soloauftritte, Kammerkonzerte, Loungemusik und ähnliches sollen in die Mühle locken. Jedenfalls nichts allzu lautes, wegen der Nachbarn: „Kein Kunstpark-Süd und keine Partymeile“, wie der Familiensenior dem Testpublikum versprach. Nach der Sommerpause soll das Programm starten. Die Halle ist bereits professionell illuminiert, lediglich ein gar nicht zum Ort passendes „New York bei Nacht”-Bild als Bühnenhintergrund sollte noch überdacht werden. Am Donnerstag erklatschte das Publikum begeistert drei Zugaben – ein guter Anfang für die Kultur am Auermühlbach.