Einzug in die marmorne Schädelstätte - Heinrich Heine in der Walhalla
Denkmäler stehen manchmal im Wege und warum sie irgendwann mal aufgestellt wurden, ist oft nicht mehr nachzuvollziehen. So geht es uns wahrscheinlich auch mit vielen Büsten, die ihren Weg in die Wallhalla gefunden haben – jener deutschen Ruhmeshalle hoch über der Donau. Auch Heinrich Heine hat jetzt seinen Platz unter den Köpfen der deutschen Vergangenheit gefunden. Zeit, sich einmal Gedanken über die Ironie der Geschichte zu machen.
So ist das nun mal, wenn man eine Berühmtheit ist: Die Öffentlichkeit und erst recht die öffentliche Nachwelt nimmt einem das Recht am eigenen Leben ab. So geschah es zum Beispiel König Ludwig I.: Nach seinem Rücktritt war kaum mehr von seinen Leistungen fürs Königreich Bayern die Rede, von seinem Engagement für Kultur und Volk, sondern nur noch von dieser schottischen Tänzerin Lola Montez. Auch ist es gar nicht sicher, ob er wirklich mit einem Platz in der von ihm geschaffenen Walhalla einverstanden gewesen wäre. Und dann auch noch, anders als die anderen Helden teutscher Zunge, als sitzendes Vollbild, nicht nur als Büste. Immerhin: Es war das Volk, das ihm 22 Jahre nach seinem Tode 1868 jenes Denkmal setzte, das Volk also, um das er sich auf deutscher wie auf bayerischer Ebene immer so bemüht hatte.
Gut, da thront er nun der Ludwig, in Stein gebannt, und konnte auch nicht rotieren, als der jüngste Neuzugang in die Walhalla einzog: Heinrich Heine, Dichter, Satiriker und Publizist. Ein großer Mann, gewiss, aber kein Freund des bayerischen Königs.
Überhaupt waren die beiden einander nicht gerade in Liebe zugetan. Der König hatte Heine als Professor für München abgelehnt, der Dichter wiederum goss Hohn und Spott über den Wittelsbacher: „Das ist Herr Ludwig von Bayerland. / Desgleichen gibt es wenig; / Das Volk der Bavaren verehrt in ihm / den angestammelten König.“
Es ist kaum anzunehmen, dass Ludwig nach solch unschmeichelhaften Zeilen noch einmal über Heines Professur nachgedacht hat. In seiner Walhalla hätte der König dem spottlustigen Düsseldorfer erst recht keinen Platz eingeräumt; auch weil Heine dieses Herzensanliegen des Bayernkönigs als „marmorne Schädelstätte“ verunglimpft hatte. Bitte, wer nicht will, der hat schon, mag sich der Wittelsbacher gedacht haben. Dieser Heine kann bleiben, wo der Pfeffer wächst oder meinetwegen auch in Paris. Das ist lange vergessen. Ludwigs Büsten-Lagerhalle ist, genau wie er es sich gewünscht hat, vom Privat- zum Staatsakt geworden – die Walhalla ist Eigentum des Freistaats. Über die Aufnahme neuer Büsten entscheidet der bayerische Ministerrat. Seehofer, Söder, Herrmann und Co also haben die Gründe und Gegengründe in der Causa Heine hin- und hergewälzt und sich letztlich für seine Aufnahme entschieden. Beifall gab es aus Düsseldorf, vor allem vom Heine-Freundeskreis. Als einen Akt der Wiedergutmachung für das, „was dem großen deutsch-jüdischen Dichter in der Vergangenheit – und noch weit in die Gegenwart hinein – angetan wurde“. Es sei ein Signal gegen Antisemitismus und für Toleranz.
Der große Mann musste in der Tat viel einstecken. Auch die Ablehnung seiner Professur, damals in München, hatte einen tieferen Grund in antijüdischen Ressentiments. Er teilte aber auch gerne aus: „Ich gestehe, ich habe manchen gekratzt, manchen gebissen.“
Gegen die Aufstellung seiner Büste in der „Schädelstätte“ konnte sich der tote Heine nicht mehr wehren. Dass er, der Respektlose, 154 Jahre nach seinem Tod in die deutsche Ruhmeshalle einziehen würde, als Nachbar jenes „angestammelten Königs“ hätte ihm aber vermutlich dennoch gute Laune bereitet: Für richtig gute Pointen war er immer zu haben.