So makaber wie birkenhell: Zum letzten "Massenselbstmord" am Metropoltheater

von Gabriella Lorenz

Finnische Gruppendynamik. Foto: Tomek Wieczór

Der eine will sich erschießen, der andere sich erhängen. Dummerweise haben sie sich dafür dieselbe Scheune ausgesucht, weshalb aus den Vorhaben erstmal nichts wird. Dafür entsteht eine Freundschaft und die Idee zu einem Gemeinschaftsprojekt. Die hohe Suizid-Rate in Finnland hat den Schriftsteller Arto Paasilinna zu seinem skurrilen Roman „Der wunderbare Massenselbstmord“ angeregt, den Ulrike Arnold mit hinreißend trockener Komik im Metropoltheater inszenierte.

Der runinierte Geschäftsmann Rellonen (Oliver Losehand) und der frustriert-depressive Oberst Kemppainen (Thomas Wenke) sind angenehm überrascht, mit ihren Selbstmord-Plänen nicht allein zu sein. Und weil im düsteren Finnland genug Lebensmüde herumlaufen, suchen sie per Annonce Interessenten für ein organisiertes kollektives Ableben. Die verheulte Lehrerin Helena (Anastasia Papadopoulou) hilft ihnen, die Flut der Zuschriften zu kategorisieren, eine tröstliche Antwort zu formulieren („Tun Sie sich nichts Unüberlegtes an!“) und ein Seminar zur Suizid-Prävention abzuhalten.

Ulrich Zentner, Anastasia Papadopoulou, Thomas Wenke, Oliver Losehand, Elisabeth Wasserscheid (v.l.n.r.). Foto: Hilda Lobinger

Paasilinna spielt ironisch mit dem Paradoxon, dass der Selbstmord-Entschluss erst richtig die Lust am Leben beflügelt. Katharina Schöfls Bühnenbearbeitung findet genauso wie die fünf prächtigen Darsteller den lakonischen Ton. Regisseurin Ulrike Arnold macht auf Julia Ströders spartanischer Bühne alle Theatermittel offen sichtbar: eine Holzklappe für Revolverschüsse, ein paar Stühle als Reisebus, an dem per Diaprojektor finnische Postkarten-Idyllen vorbeiziehen.

Die Erzähler Elisabeth Wasserscheid und Ulrich Zentner schlüpfen auch in verschiedene Rollen, und Wasserscheid begleitet auf einer Melodica die schwermütig-schrägen finnischen Lieder. Vor der letzten Reise zum Nordkap, wo der Bus von einer Klippe stürzen soll, feiern alle noch ein Gelage am See und fackeln Rellonens Sommerhaus vor dem Zugriff des Konkursverwalters ab. Der Oberst bekennt am Schluss ergriffen: „Ich habe noch nie so tapfere Lebenskämpfer wie Euch Selbstmörder gesehen.“ Die groteske Komik des makabren Themas entfaltet sich in dieser Aufführung mit birkenheller Heiterkeit.

 

Metropoltheater, bis auf weiteres nur noch heute (Sonntag, 5. Juni 2011, 19 Uhr), Tel. 32195533

 

Veröffentlicht am: 05.06.2011

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

Weitere Artikel von Gabriella Lorenz:
Andere Artikel aus der Kategorie