Nach dem Sensationserfolg "Westend Opera": Mit dem Escape Musiktheater bringen Jugendliche das Thema Web-Sucht auf die Bühne
„Heroin aus der Steckdose“ nennt der Verein „Aktiv gegen Mediensucht“ die Verführung, sich im Internet andere, erträumte Identitäten und Realitäten zu erschaffen. Online kann jeder ein Held sein, das wirkliche Leben kommt manchen Spielern darüber abhanden. Um Rollen-Spielsucht kreist die neue Produktion „Esc@pe net opera“ des International Munich Art Lab (Imal), die am Montag (11. Juli 2011) im Arri Premiere hat.
Das erste Imal-Musical „Westend Opera“ war 1999 ein Sensationserfolg: Die Truppe gastierte damit sogar in New York. Ein Sensationserfolg war aber auch das von Vridolin Enxing entwickelte Imal-Konzept einer praxisorientierten Ausbildung für Jugendliche mit Bühnenambitionen, unabhängig von Herkunft und sozialem Hintergrund. Wer das Casting besteht und genügend Motivation mitbringt, erarbeitet 18 Monate lang im Kollektiv ein Stück. Geld gibt's nicht, die Kids müssen neben dem strengen Stundenplan abends oder am Wochenende jobben. Dafür lernen sie Teamarbeit und Verantwortung, denn das Ergebnis ist ihr Stück. Sie suchen und recherchieren das Thema, schreiben den Text, entwickeln die Rollen, komponieren die Musik, entwerfen die Bühne, stellen Kostüme und Accessoires her, kümmern sich um Werbung und Marketing - jeder nach seinen Fähigkeiten. Und sie spielen - alles unter professioneller Anleitung. Die Spielleitung hat bei „Esc@pe“ Theo König, wie schon bei der „Westend Opera“. Enxing, König und Dick Städtler, der bei Imal Musik unterrichtet, gehörten in den 1970er Jahren zur Politrock-Band Floh de Cologne. So wirkt die Anarchie der 68er heute kreativ für neue Generationen.
Zu Beginn des „Esc@pe“-Projekts waren 30 Jugendliche dabei, bei der Aufführung stehen 18 auf der Bühne. Die Idee und das erste Exposé stammt von Asisa Hafez, einer gebürtigen Münchnerin mit ägyptischem Vater. Ihre drei jüngeren Brüder spielen „wie wild“, erzählt sie: „Wenn die in der Runde mit Freunden zocken, kriegen sie überhaupt nicht mit, was um sie herum passiert.“ „Und weil das Thema so vielfältig ist, konnten wir da auch viele andere interessante Ideen unterbringen“, sagt Samantha Ritzinger. Die Südafrikanerin spielt Luna, die um Geld zockt, um ihrem Bruder eine lebensrettende Operation zu finanzieren - und alles verliert. Der schüchterne Tom wird im Internet zum großen Kämpfer, Popstar Alice will um ihrer selbst geliebt werden, die unterdrückte Ehefrau Trixi trumpft als Macho auf. Asisa greift als Computervirus ein - mehr als 100 Rollen haben sich die Jugendlichen erfunden.
Sie wollen keine Moral predigen und Computerspiele nicht bewerten, sagt Asisa. Wichtiger ist, was sie bei dieser Produktion fürs Leben lernen: Teamarbeit, Verantwortung, Geduld, gegenseitige Hilfe „und auch, sich mal in den Hintern zu treten“, lacht Samantha.
Arri-Studio 2, Türkenstraße, 11. - 16. Juli, 17. und 18. im Schwere Reiter, 20. - 23. im Backstage, Karten info@escape-musiktheater.de, weitere Infos hier.
Der Kulturvollzug veröffentlichte inzwischen auch eine Kritik von der Premiere.