Durch alle Levels und äußerst sexy: Zur Premiere des hinreißenden Jugendprojekts "Esc@pe net opera"

von Gabriella Lorenz

Präsenz mal 18: das Ensemble. Foto: Ecape Musiktheater

Die Spinne lauert im Netz. Wer sich in ihren Fäden verstrickt, riskiert, in der Zwangsjacke zu enden. Von der Rollenspielsucht erzählt in mitreißenden Bildern ganz ohne Zeigefinger die „Esc@pe net opera“ des International Munich Artlab (Imal), das mit seiner sechsten Produktion auch sein zehnjähriges Bestehen als offiziell anerkanntes und gefördertes Jugendkulturprojekt feiert. In 18 Monaten erarbeiteten Jugendliche unter professioneller Leitung gemeinsam ein Theaterstück, von der Idee bis zu Text und Musik. Die Regisseure Theo König und Manuela Mantini brachten mit Hilfe von Choreografen und Musikpädagogen das erstaunliche Bühnenpotenzial der jungen Darsteller bei der Premiere im Arri-Studio 2 zum Leuchten.

Die Escape-Taste ist äußerst sexy, doch ihr Kuss wäre tödlich für die Spieler. Online darf der verklemmte Tom ein bewunderter Kriegsheld sein, die verprügelte Ehefrau Trixi ein Macho-Krieger, die Popsängerin Alice ein liebebedürftiges Mädelchen und die verzweifelte Luna eine gerissene Pokerspielerin. Das Stück schickt die vier Avatare durch alle Levels eines erfundenen Rollenspiels (mit zahlreichen Anspielungen auf Computerspiele wie „Super Mario“ oder „World of Warcraft“). Ein Showmaster feuert sie an „auf dem Weg zur Insel des Verlangens“, so ein Songtext: Sie müssen eine Horde Kannibalen (in Baströckchen aus Videobändern!) erledigen und eine hinreißend versoffene Prinzessin zum Weinen bringen, einen Computervirus jagen und Abstürze in ihre reale Welt der armen Würstchen einstecken.

Inhaltlich haben die Jugendlichen fast zuviel in die präzise gespielten und getanzten Bilder mit eingestreuten Kasperltheater-Grotesken hineingepackt: Kinderarbeit in der Dritten Welt, Missbrauch, Schlankheitswahn. Starke Songs halten die Balance: eine französische Slow-Rap-Einladung in den Chatroom, das ergreifende Lied eines toten Kindersoldaten, ein komisches Plädoyer „Dick ist schick, fett ist nett“. Die elektronisch verstärkte Musik benutzt alles: HipHop, Death Metal, Reggae oder Fun-Punk. Und die Präsenz der 18 Akteure ist einfach umwerfend.

Bis 16. Juli im Arri-Studio 2 (Türkenstraße), 17. und 18. im Schwere Reiter, 20. - 23. im Backstage, Karten info@escape-musiktheater.de.

Der Kulturvollzug veröffentlichte bereits einen Vorbericht.

 

Veröffentlicht am: 13.07.2011

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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