Freitagsgedanken (Folge 3): Her mit den kleinen Schnapspralinen!
Heute geht es um Drogen. Ja, ganz richtig! Und sind wir mal ehrlich: Wir sind doch alle Junkies. Nein? Sie nicht? Gut. Es geht mir auch nicht um Koks.
Es geht um diese kleinen Dinge. Kaffee? Schokolade? Musik? Na also!
Es gibt da diese ganz fiese Eigenschaft von Drogen: Selbst, wenn man temporär aufhört, man fängt immer wieder damit an, wenn man nicht wirklich zur Überzeugung kommt, dass man sich damit schadet.
Ein guter Bekannter von mir führt seit einer halben Ewigkeit eine etwas anstrengende On-Off-Beziehung. Immer, wenn er verkündet, er sei wieder Single, schließe ich mit mir selbst eine Wette ab, wie lange das wohl andauern wird. Und meistens gewinne ich. Lachen Sie nicht!
Es ist manchmal ganz schön schwierig, gegen sich selbst zu gewinnen. Um zum Punkt zu kommen: Ich habe selbst eine On-Off-Beziehung. Vor etwa zehn Jahren las ich zum ersten Mal einen Artikel über die japanische Band „Malice Mizer“. Und ich war fasziniert. Ich hörte mir das an und war verliebt. In diese Stimmen, diese Stücke, und so weiter. Kurze Zeit später verloren ich und Malice uns aus den Ohren. Mit 15 wurde ich wieder abhängig, es folgte die nächste Entzugsphase, und mit 19 schrieb ich eine Facharbeit über die japanische Musikszene. Danach war Ruhe.
Dachte ich. Am Montag habe ich Gackt gehört. Er war damals Sänger bei Malice Mizer, ich fand ihn immer etwas absonderlich. Da war ich nichtsahnend auf der Seite des Münchner „Backstage“ herumgesurft, auf der Suche nach interessanten Terminen. Und da hatte mich dieses vertraute Gesicht wieder angeguckt. Ich konnte nichts tun. Ich fühlte mich wie ein Alkoholiker, der soeben eine Schnapspraline erwischt hat. Seit dem Konzert von Mon Cheri Kamui Gackt hänge ich wieder am Tropf, beziehungsweise vor dem PC. Was ist das nur, das einen dann so reinzieht?
Wenn ich mich einmal die Woche abends mit einem Mokka und einer Schachtel Pralinen ans Klavier setze, dann fühle ich mich erinnert. Weil man mit Schokolade immer eine Art Zuhausesein verbindet. Oder ein Sich-Belohnen. Meistens sind es sowieso die eher überflüssigen Dinge, die man durch dieses Sucht- oder Gewohnheitsverhalten zu existentiellen Dingen macht. Wer ist schon an Schokoladen- oder Kaffeeentzug gestorben?
Wenn ich japanische Rockmusik höre, dann erinnere ich mich an dieses Kribbeln des Neuen, Unbekannten, das mich damals gepackt hat, als ich zum ersten Mal damit in Berührung kam. Diese Exotik und die Art ihrer Präsentation hatte etwas Verbotenes. Ich war zwölf...
Heute habe ich zumindest Ahnung von J-Rock. Aber egal ob Musik, Schokolade, oder was auch immer. Die wahre Sucht ist nicht das, was man konsumiert. Es ist die Erinnerung, die dranhängt. Es lohnt sich, die mal unter die Lupe zu nehmen! Tun Sie es! Es ist erschreckend und lustig zugleich. Denn was passiert, wenn man einer Erinnerung so gnadenlos auf den Leib rückt? Die Verklärung verschwindet. Und dann hat man vielleicht die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Einen neuen Blickwinkel zu bekommen.
Denn wer braucht schon eine Erinnerung, wenn er Kaffee trinken, Schokolade essen und japanische Rockmusik hören kann. Einfach nur so.