"Ich schau Dir in die Augen, Kleines" - Eine bemerkenswerte Ausstellung mit Portraits in Ismaning

von Achim Manthey

Georg Tappert, Mädchen im Korbsessel, 1910 (Foto: Kallmann-Museum)

Emil Nolde ist vertreten, Max Pechstein ebenso oder Andy Warhol. Meist sind es jedoch die Vergesssenen, Verschollenen, die das Kallmann-Museum in der Orangerie Ismaning in der Ausstellung "Bizzare Begegnung - Bilder schauen dich an" mit Portraits aus der Sammlung Brabant zeigt.

Der Helgoländer Fischer kommt in etwa daher wie das Michelin-Männchen auf dem 1924 entstandenen Holzschnitt von Conrad Felixmüller. Wülste bilden Gesicht und Körper, Troier und Elbsegler als inseltypische Bekleidung bleiben erkennbar, ebenso Hummerbuden und Fischerboote als Charakteristika der einzigen Hochseeinsel Deutschlands. Auch Felixmüller, ein Vertreter des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit, gehört zur Generation der vergessenen, ja verschollenen Künstler. Den Nazis galt er als entartet, war 1936 mit 40 Werken in der Ausstellung "Entartete Kunst" bloßgestellt worden, und erfuhr 1938/39 die Tragödie, dass rund 150 seiner Werke zerstört wurden.

Von Elfriede Lohse-Wächtler ist die Pastellzeichnung "Nachdenkender Mann" zu sehen. Auch sie wurde auf tragische Weise Opfer der Nazis. Als unheilbar geisteskrank eingestuft verschwindet sie in der Psychatrie und wird 1940 im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4 in der "Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein" in die Gaskammer geschickt. Immerhin erinnert in der dortigen Gedenkstätte seit 2002 eine Dauerausstellung an ihr Leben und Werk.

Alexej Jawlensky, Helene in spanischem Kostüm, 1901(02 (Foto: Kallmann-Museum)

Die in der Ausstellung gezeigten Bilder stammen aus der Privatsammlung Brabant. Frank Brabant hatte mit Kunst zunächst nicht viel am Hut. Ende der 1950er Jahre aus der DDR gekommen übernahm er eine Kneipe in Wiesbaden, die aufgrund der Nähe zum damaligen ZDF-Sendezentrum auch noch gut lief. Der Kunst-Kick kam 1964. Mit dem eher zufällig zustande gekommenen Erwerb des 1918 entstandenen Bildes "Der Redner" von Max Pechstein legte er den Grundstein zu einer Sammlung, die heute weit mehr als 300 Werke umfasst, Portraits überwiegend, aber auch Landschaften, allesamt im 20. Jahrhundert entstanden.

Große Namen sind in der Ismaninger Ausstellung vertreten. Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Käthe Kollwitz, Horst Antes und Andy Warhol sind darunter. Aber eben und vor allem auch die Vergessenen wie Walter Jakob, Walter Gramatté oder Max Kaus.

Es gibt viel zu entdecken in dieser reichhaltigen Schau. Zuweilen scheinen die Portraitierten den Betrachter tatsächlich anzusehen und ihm zuzuflüstern: "Schau her, ich bins." Es bleibt gar nichts als zurückzuschauen. "Die unterhaltenste Fläche auf dieser Erde für uns ist die vom menschlichen Gesicht", meinte Georg Christoph Lichtenberg. Die Ausstellung beweist das. Dass es sich die Ausstellungsmacher nicht verkneifen konnten, einige mit Filzstift ausgeführte Portraits des Museums-Namensgebers Kallmann hineinzumogeln, zeugt von übertriebener Eitelkeit und ist bei näherem Hinsehen eher überflüssig, ja peinlich. Gut, passiert, Schwamm drüber. Stört auch nicht weiter. Kann man in Zukunft aber auch lassen.

Eine Besonderheit bietet der zur Ausstellung erschienene Katalog, in dem sich persönliche Beiträge von Künstlern, Schriftstellern und Kunsthistorikern zu einzelnen Bildern finden, darunter Asta Scheib und Friedrich Ani.

Bis zum 2. Oktober 2011 im Kallmann-Museum in der Orangerie Ismaning, Schloßstraße 3b, Di-So 14.30-17 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erhältlich.

 

Veröffentlicht am: 22.08.2011

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