Lenny Kravitz rockt als echter Menschenfänger eine verkleinerte Olympiahalle: So muss man das erst mal zelebrieren können

von Michael Grill

Dies ist, wie man sieht, die Eintrittskarte für das Ereignis gewesen. Fotos vom Konzert würden wir Ihnen gerne zeigen. Allein die immer restriktiveren, teilweise inzwischen pressefeindlichen Vertragskonditionen, die von Veranstaltern und Agenturen den Fotografen aufgezwungen werden, hindern uns daran. Foto: gr.

Lenny Kravitz hat mit seinem neuen Album „Black And White America“ einen Chart-Erfolg gelandet, doch Charts zählen nicht mehr viel im Download-Zeitalter. Aussagekräftiger ist der Live-Publikumszuspruch – und die Olympiahalle war bei weitem nicht ausverkauft für den Auftritt des Superstars der 90er Jahre. Fürs Konzert wurde die Arena deshalb erheblich verkleinert, nach offiziellen Angaben auf 9000 Plätze. Er ist also definitiv nicht mehr so groß wie er einmal war, der Rock-Soul-Funk-Alleskönner, umso spannender war die Frage, wie er damit umgehen würde. Mit einem Wort: phänomenal.

Vom ersten Ton an („Come On Get It“) gab es scharfe Klampfen, satte Bässe, ein herrliches Zusammenspiel aus Licht und Rhythmus, sowie das sehr gute Gefühl, von einem musikbessesenen Menschenfänger umarmt zu werden. Ab „American Woman“ war klar, das an diesem Abend eine große Party rockt. Nur bei „Mr. Cab Driver“ hinkte das Bandarragement dem lässigen, aber fordernden Gesang etwas hinterher. Machte aber nix, machte alles trotzdem gute Laune.

Im Programm nur vier Songs vom neuen Album, doch das war richtig dosiert; hervorstechend der Titelsong mit einem biografisch eingefärbten Friedens- und Peacethema. Dann forderte Kravitz das Pop-Publikum mit einem langen Jazzsolo seines Trompeters heraus, fragte aber auch gleich fürsorglich „Are you alright?“ Und bei „Stand By My Woman“ konnte die Live-Kamera auf feuchte Mädchenaugen zoomen.

Und dann kam der Hammer, nämlich diese Songfolge: „Stand“ – „Rock And Roll Is Dead“ – „Rock Star City Life“ – „Where Are We Runnin'“ – „Fly Away“ – „Are You Gonne Go My Way“. Wer danach nicht auf den Beinen war, sollte sich physiotherapeutisch beraten lassen. Die Halle tobte, tanzte, taumelte.

Nach einer Stunde und 15 Minuten ging Kravitz von der Bühne. Er kam wieder für eine Zugabe, bestehend aus zwei Songs. Doch die hatten es so sehr in sich, dass er damit fast noch an die Marke von zwei Stunden Gesamtspielzeit herankam: „I Belong To You“ in akustischer Lagerfeuerversion, und ein ins nahezu Unendliche gedehntes „Let Love Rule“, inklusive einem Bad in der Menge, bei der Kravitz die Arena dermaßen ausführlich umrundete, als wollte er tatsächlich mit jedem einzelnen Gast die Gesetze der Liebe feiern. Das muss man so erst mal zelebrieren können. Es war herzig, es war ergreifend. „God bless ya! Peace!“, rief Kravitz zum Abschied. Gleichfalls, Alter! Und schreib mal wieder einen richtigen Hit!

Veröffentlicht am: 25.11.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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