Denis Matsuev im Herkulessaal: Ein Klavierabend fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit

von Volker Boser

Denis Matsuev (Foto: Sony Music Entertainment)

Er hat den berühmten Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen, mit Dirigenten wie Zubin Mehta, Lorin Maazel und Mariss Jansons musiziert, er gastiert bei allen europäischen Musikfestivals, feierte Triumphe in New Yorks Carnegie Hall. Doch das alles scheint sich bis nach München nicht herumgesprochen zu haben. Der Klavierabend von Denis Matsuev im Herkulessaal fand nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Der Rang wurde gar nicht erst geöffnet. Unten im Parkett hörte man mehr russisch als deutsch. Für den 35-jährigen Tastenakrobaten aus Irkutsk war das Konzert ein Heimspiel. Was auch am Programm lag: vor der Pause Tschaikowskys "Jahreszeiten"-Zyklus, danach Liszts Mephisto-Walzer und drei Sätze aus Strawinskys "Petruschka".

Keine Musik also, die tiefsinnige Gedanken provoziert. Virtuosität war gefragt, aber auch Charme und Gespür für klangliche Differenzierungen. Immer dann, wenn es wild und exzentrisch wurde, konnte Denis Matsuev beeindrucken. Gnadenlos donnerte es Liszts Hexentanz in den Saal, aufregend und spannend, pianistisch bisweilen anfechtbar, mit Mut zu falschen Tönen, aber auch zum Risiko.

Der "Petruschka"-Auswahl Strawinskys gestattete er viele rhythmische Freiheiten. Den zwölf Tschaikowsky-Häppchen hätte eine breitere Klangfarben-Palette gut getan. Gerade diese Miniaturen, vom Choreographen John Cranko in seinem Ballett-Klassiker "Onegin" verwendet, vertragen es nur schlecht, wenn man sie über einen Kamm schert. Schade, dass sich Denis Matsuev hier mit pauschalen Andeutungen begnügte.

Die wenigen Zuhörer waren dessen ungeachtet begeistert. Nur einer (in Reihe 17) gab sich störrisch. Als der Pianist endlich einmal zu träumen begann, packte der das Handy aus und hörte, für die Nachbarn deutlich vernehmbar, seine Sprachnachrichten ab.

Veröffentlicht am: 23.12.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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