Genug ist genug: Lehars konzertante "Giuditta" im Prinzregententheater

von Volker Boser

Franz Lehar. Foto: Degra

Franz Lehars musikalische Komödie „Giuditta“ muss nicht sein. Das geben auch hartnäckige Fans gerne zu. Doch weil Dirigent Ulf Schirmer mit dem Rundfunkorchester dieses Werk auf CD aufnehmen darf, kamen die Besucher im Prinzregentheater in den Genuss einer konzertanten Aufführung.

Immerhin: ohne „Giuditta“ hätte Anna Netrebko einen Hit weniger. Zwar musste man diesmal auf das Lied „Meine Lippen, sie küssen so heiß“, nahezu zwei Stunden warten, aber weil es von Christiane Libor dann überaus geschmackvoll gesungen wurde, war danach die Welt fast  wieder in Ordnung.

Puccini neben Kitsch, der Inhalt eine Farce: während in Bizets „Carmen“ der desertierte Don José wenigstens den Mumm besitzt, sein geliebtes Luder zu töten, ist Lehars Hauptmann Octavio ein kümmerlicher Schwächling. Auch er desertiert aus Liebe. Aber anstatt um das Tingeltangel-Girl Giuditta zu kämpfen, zieht er sich am Ende schmollend als Pianist in eine Hotelbar zurück.

Jarmila Novotná und Richard Tauber sicherten bei der Premiere 1934 der Wiener Staatsoper einen Goldregen. Doch der war nicht von Dauer. Das Stück verschwand von den Spielplänen. Im Prinzregententheater mühten sich die Akteure redlich um Wiedergutmachung. Doch sobald Dirigent Ulf Schirmer mit den Füßen aufstampfte – und das tat er leider allzu oft - war höchste Vorsicht geboten. Denn dann durfte das Rundfunkorchester gnadenlos knattern. Kraft anstatt Charme; weniger wäre mehr gewesen und hätte vor allem den Sängern das Leben leichter gemacht.  Christiane Libor in der Titelpartie und Nikolai Schukoff als Octavio wurden der opernhaften Dramatik ihrer Rollen zumeist gerecht. Das Buffo-Paar (Laura Scherwitzl, Ralf Simon) zog sich achtbar aus der Affäre.

Von der Wiener Premiere gibt es einen Mitschnitt. Später haben die Sopranistin Hilde Güden, der Tenor Waldemar Kmentt und die Wiener Philharmoniker unter Rudolf Moralt mit einigem Erfolg versucht, das Stück auf Schallplatte zu veredeln. Am sinnlichsten wusste dann aber doch wohl Anna Moffo zu trällern, wie heiß Giudittas Lippen küssen. Mehr muss nun wirklich nicht sein.

Veröffentlicht am: 28.01.2012

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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