Gidon Kremer und Martha Argerich im Herkulessaal: Rattenfänger und energischer Engel
Traumpaar Kremer und Argerich - hier ein Ausschnitt aus einem Plattencover der Deutschen Grammophon, bei der die beiden auch Aufnahmen veröffentlichen. Foto: Decca
Sie haben zusammen CDs aufgenommen, und immer, wenn man sie live erlebt, wird sofort klar: Weltklasse-Geiger Gidon Kremer und Klavier-Ikone Martha Argerich sprechen eine gemeinsame Sprache, trotz scheinbar total gegensätzlicher Ausdrucksqualitäten. Gidon Kremer sucht die Stille. Effektvolles Auftrumpfen ist nicht seine Sache. Und dennoch schafft er es mühelos, die Zuhörer zu umgarnen. Ein Rattenfänger, dem man sich nicht entziehen kann. Ganz anders Martha Argerich: noch immer ein feuriger Engel, spontan, energisch, zupackend.
Das Programm, das die beiden zusammen mit dem Trompeter Sergei Nakariakov und der Kremerata Baltica für ihr Gastspiel in der gut besuchten Philharmonie im Gepäck hatten, war auf den ersten Blick alles andere als spektakulär. Das Concertino für Violine und Streichorchester des Polen Mieczyslaw Weinberg (1919 – 1996) erinnert in seinem altmodisch-lyrischen Tonfall an Griegs Holberg-Suite. Der Geigenpart ordnet sich unter. Man muss zwischen den Zeilen lesen. Im Gegensatz zu diesen Kuschelklängen entwickelt sich Sofia Gubaidulinas verkapptes Violinkonzert „Die Leier des Orpheus“ zu einem spannenden Dialog zwischen Solo-Geige und einzelnen Orchesterinstrumenten.
Gidon Kremer und seine prächtige Kremerata verstehen sich mittlerweile blind. Ein eindringlicheres Musizieren war kaum denkbar. Und ganz nebenbei erfahren die Zuhörer, dass es auch abseits des Mainstream Lohnenswertes zu entdecken gibt.
Martha Argerich und der grandiose Trompeter Sergei Nakariakov sorgten für die heiteren Momente. Die Pointen des Schostakowitsch-Konzerts für Klavier, Trompete und Streicher hat man selten derart frech und virtuos vernommen. Danach Filmmusik-Fragmente des Russen Leonid Desyatnikov: Parodien auf Foxtrott und Richard Wagner, Swing meets Tannhäuser. Kremer, Argerich & Co. servierten das mit hinreißendem Augenzwinkern. Und setzten noch eins drauf: Als Betthupferl gab es Glenn Millers „Moonlight Serenade“. Ein wunderbares Konzert.