"Rheingold"-Auftakt zu Wagners Ring am Nationaltheater: Regie im Boulevard-Stil, aber Rettung durch großartigen Nagano
Die ersten Highlights setzte die Musik. Den vielleicht berühmtesten Es-Dur-Dreiklang der Opernliteratur, der sich langsam zu einer wogenden Melodie steigert, bewältigte das Bayerische Staatsorchester wunderbar fließend. Bereits in diesen Anfangsminuten deutete sich an, wer bei der Premiere von Wagners „Rheingold“ im Nationaltheater als Sieger vom Platz gehen sollte.
Regisseur Andreas Kriegenburg inszenierte den Auftakt der „Ring“-Tetralogie so, wie er es angekündigt hatte: ohne die Mythologie zu bedienen, ohne allzu viele Zwischentöne, straff und direkt. Für den Zauber waren andere verantwortlich: in vorderster Reihe der Dirigent Kent Nagano, der eine seiner besten Leistungen am Pult der Bayerischen Staatsoper bot.
So dezent, impressionistisch zurückhaltend und ganz ohne Pathos hat man Wagners „Rheingold“ -Musik selten gehört. Stets war die Neugier zu spüren, mit der Kent Nagano die musikalischen Geheimnisse zu entschlüsseln suchte. Dabei machte es ihm die Regie nicht immer leicht. Schon bevor die ersten Takte erklangen, füllte sich die karg ausgestattete Bühne (Harald B. Thor) mit Statisten, die später, blau beschmiert sich am Boden wälzend, den Rhein darzustellen hatten.
Über sie hinweg stolperte Alberich dreist, lüstern, gierig, aber clever genug, um den Rheintöchtern (Eri Nakamura, Angela Brower, Okka von der Damerau) das Gold zu entreißen. Johannes Martin Kränzle war neben Kent Nagano der zweite Gewinner des Abends. Der Augsburger Bariton musste kurzfristig einspringen und zeigte, stimmlich hoch motiviert, trotz deutlich reduzierter Vorbereitungszeit eine beklemmende Studie menschlicher Gier. Dass ihn Wotan dann doch noch mit Hilfe des halbseidenen, schmierigen Loge (gefeiert: Stefan Margita) austricksen konnte, war fast ein wenig schade.
Johan Reuter gab dem Göttervater auch stimmlich nichts, was auf eine herausragende Hierarchie inmitten des „Ring“-Personals schließen ließe. Im Gegenteil: Gattin Fricka (Sophie Koch) keifte ihn an, die Riesen Fafner (Phillip Ens) und Fasolt (Thorsten Grümbel) nahmen ihm Gold, Tarnkappe und Ring wieder weg – bereits zum „Rheingold“-Finale war Wotan ziemlich angeschlagen.
Kein Wunder. Von der Regie wurde er ebenfalls im Stich gelassen. Andreas Kriegenburg machte auch bei ihm keine Ausnahme. Alle Akteure waren reichlich eindimensional gezeichnet. Die da oben semmelblond, austauschbar, die Underdogs schmutzig, mit ungepflegtem Zottelkopf – kein Platz für Zwischentöne. Im Boulevard-Stil präsentierte die Regie „Rheingold“ als eine mit starken Bildern aufgemotzte Krimi-Handlung aus dem Wirtschaftsmilieu.
Folgerichtig hinterließen die Szenen in Nibelheim den stärksten Eindruck. Es roch geradezu nach Schweiß, Ausbeutung und Unterdrückung. Mit Grubenlampen, die in den Zuschauerraum gerichtet waren, wurde die Illusion der Verwandlungen Alberichs in Schlange und Kröte perfekt vorgegaukelt. Die Schräge des Bühnenbodens symbolisierte zusätzlich die Gefährlichkeit des Ortes.
Man wird abwarten müssen, was Regisseur Andreas Kriegenburg noch im Köcher hat: „Walküre“, „Siegfried“ und Götterdämmerung“ lassen sich nicht ausschließlich mit naiver Rhetorik bewältigen. Und auch die Qualität der Sänger sollte sich da und dort noch steigern lassen: Levente Molnár (Donner), Thomas Blondelle (Froh), Ulrich Reß (Mime), Aga Mikolaj (Freia) und Catherine Wyn-Rogers (Erda) zogen sich allenfalls achtbar aus der Affäre.
Am Ende war der Jubel dann aber doch überwältigend. Vereinzeltes Buh wurde gnadenlos mit Ovationen zugedeckt. Intendant Nikolaus Bachler kann aufs Erste zufrieden sein. Wenn nach weiteren zwölf Stunden Walhall untergegangen ist, werden wir mehr wissen.