Refugien in den Bergen - Ein Buch zeigt Bayerns Märchenschlösser aus der Sicht eines Franzosen

von kulturvollzug

Das Königsschloß im Bayerischen Meer (Foto: Achim Manthey)

Kaum war Ludwig II. auf bis heute rätselhafte Weise zu Tode gekommen, öffneten sich seine Schlösser dem breiten Publikum. Ein Franzose gehörte zu den ersten, die das in Wort und Bild festgehalten hat.

Als der etwas spleenige bayerische Märchenkönig Ludwig II. am 13. Juni 1886 auf nie ganz aufgeklärte Weise im Starnberger See den Tod fand, war das in etwa die Geburtsstunde des Tourismus in Oberbayern. Sein architektonisches Erbe, das er selbst nur als Bausstellen kannte, lässt noch heute die Tourismusbranche aufjubeln. Denkmalpfleger dagegen stöhnen angesichts der 7000 Besucher täglich, die in der Hauptsaison die für eine Person gebaute Königswohnung Neuschwanstein - Spitzenreiter unter den Königsschlössern - stürmen. Dabei hatte der introvertierte Monarch kurz vor seinem endgültigen Abschied von diesem Bergschloss folgende Bitte an seinen Diener gerichtet: "Bewahren Sie diese Räume als Heiligtum, lassen Sie es nicht profanieren von Neugierigen, denn ich habe darin die bittersten Stunden meines Lebens durchlebt."

Hugues Krafft, Bild: Léon Bonnat 1892 (Quelle: Wikipedia)

Zum Buchreigen im Jubiläumsjahr Ludwigs II. aus Anlass seines 125. Todestages gehört auch ein Werk, das Herrenchiemsee, Linderhof und Neuschwanstein aus der Sicht des französischen Schriftstellers und Weltbürgers Hugues Krafft neu beleuchtet. Krafft, kulturell neugierig und vermögend, war einer der ersten Ausländer, der kurz nach Ludwigs Ableben Bayern bereiste. Der aufmerksame Beobachter aus Reims, der familiär und geschäftlich mit den Champagnerhäusern Roederer und Mumm verbunden war, hatte sich vorgenommen, die wenigen Wochen nach Ludwigs Tod für das Publikum geöffneten Schlösser in der Reihenfolge ihrer Erbauung zu besuchen. Scharfsinnig stellte dieser Zeitzeuge fest: "Kein Museum war jemals schneller und besser organisiert worden als jene Schlösser, denn fortan sollten sie Geld abwerfen und damit für ihren Unterhalt selbst aufkommen.

Dank seiner präzisen und nicht unkritischen Berichterstattung ist der historische Zustand dieser Baudenkmäler genauestens überliefert. Und weil Krafft seine Reisen nie ohne das notwendige Foto-Equipment unternahm, sind seine historischen Bilder für uns heute besonders wertvolle Dokumente.

Der besondere Reiz des Buches liegt in der Gegenüberstellung der bislang nie publizierten, historischen Schwarzweiß-Aufnahmen mit den farbigen Ansichten des 21. Jahrhunderts. Zum damaligen Erscheinungsbild des noch unvollendeten Gartens vor dem Schloss Herrenchiemsee gehörten beispielsweise kunstvoll gestaltete Holzspaliere und goldglänzende Brunnenfiguren. Krafft zeigt auch die Soldaten, die zur Beasufsichtigung der Schlösser eingesetzt wurden, sowie die Besucher, die damals noch ohne Führung frei durch die Raumfluchten gehen konnten. Mit Sonnenschirmen stehen sie vor der Fassade und nehmen auch den im Rohbau sich befindenden Nordflügel für Theater und Kapelle in Augenschein, der später aus Symmetriegründen abgerissen wurde.

Angelika Irgens-Defregger

Marcus Spangenberg/Sascha Wiedenmann (Hrsg.), 1886. Bayern und die Schlösser  König Ludwigs II. aus der Sicht von Hugues Krafft, Verlag Schnell und Steiner 2011, 19,95 Euro

Veröffentlicht am: 03.03.2012

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