Wibke Bruhns im Interview
"Nachrichten? Das war sakrosankt, da gehörte eine Frau nicht hin"
Ihr Debüt als Sprecherin 1971 beim ZDF bedeutete eine Kulturrevolution: Wibke Bruhns Einsatz als erste Fernsehfrau in einer Nachrichtensendung brachte die Nation auf. Sie machte für Willy Brand Wahlkampf, war Israel-Korrespondentin des Stern und galt als eine der profiliertesten politischen Journalistinnen Deutschlands. Mit ihrem Buch "Meines Vaters Land" setzte sie ihrem als Mitverschwörer des 20. Juli hingerichteten Vater ein Denkmal. Jetzt hat die 73-Jährige ihre Autobiografie mit dem Titel "Nachrichtenzeit" vorgelegt. Der Kulturvollzug sprach mit ihr vor ihrem Auftritt in München.
Männer trinken Whiskey im Büro, rauchen wie die Schlote und schwingen große Sprüche, und Frauen haben nichts zu sagen - kennen Sie die Serie "Mad Men"?
Natürlich kenne ich die.
Erinnert Sie diese Serie an die Anfänge Ihrer Laufbahn, als Volontärin bei der Bild?
Das werde ich oft gefragt. In meiner Erinnerung an die 60er Jahre taucht von der recht ruppigen Art, mit der Frauen in der Serie behandelt werden, nichts auf. Ich weiß, dass das bei anderen so war. Aber nicht bei mir.
Als Sie die erste Nachrichtensprecherin im deutschen Fernsehen waren, reagierten die Leute aber ziemlich, nun ja, überrascht...
Man hat heftig darauf reagiert, was insofern seltsam war, als ich ja zuvor schon jahrelang Sendungen im ZDF moderiert hatte. Aber dieses Nachrichtenthema war irgendwie sakrosankt, da gehörte eine Frau nicht hin, und deswegen war die Empörung groß.
Sie beschreiben die teilweise wüsten Angriffe in Ihrer Autobiographie eher beiläufig. Was haben Sie tatsächlich dabei empfunden?
Ich muss Ihnen sagen, es war mir egal. Es war so lächerlich, was da alles ankam. Aber es war viel. Und ich konnte mich damit eigentlich nicht wirklich beschäftigen. Ich hatte einen Codex entwickelt: Jeder, der mir einen Brief schreibt, hat Recht auf eine Antwort. Das ließ sich nun nicht mehr machen. Das ging nicht, abgesehen davon, dass ich in dem Ton auch nicht hätte antworten können. Das ging einerseits von Männern aus, gespickt mit Obszönitäten und Vorschlägen, ob man sich nicht in irgendeinem Wiesbadener Hotelzimmer treffen sollte. Die Damen meinten eher, ich solle nach Hause gehen und mich um Mann und Kinder kümmern. Aber es hat mich nicht verletzt. Es hat mich verwundert - aber nicht verletzt.
Die Frauenbewegung um Alice Schwarzer hat Sie als Gallionsfigur eingespannt...
Nein, das stimmt nicht. Ich habe mit Frau Schwarzer und ihresgleichen in der sogenannten Frauenbewegung null zu tun gehabt. Aber einige, die das nicht so differenziert betrachteten, sagten dann schon, die gehört dazu, die ist eine Vorkämpferin. Aber das ist erst später entstanden.
Fühlten Sie sich als Vorkämpferin?
Nein. Ich habe einen Job gemacht.
In Ihrer Autobiographie ebenso wie vor einigen Jahren in Ihrem Buch "Meines Vaters Land" ist von den Abscheulichkeiten die Rede, die das NS-Regime Ihrer Familie angetan hat. Wie sehr hat das Ihre Haltung und Ihren Lebensweg beeinflusst? War die Wut auf Nazis für Sie ein Motor?
Eine gute Frage. Sie hat zumindest den Widerspruchsgeist in mir beflügelt. Gerade in den 50er Jahren habe ich die Augen aufgemacht und festgestellt, wie viele Altnazis es in der deutschen Politik, in der Verwaltung, den Schulen, den Universitäten etc. gab, und dass dies grundsätzlich zu bekämpfen war. Relativ früh habe ich einen Grundärger darüber empfunden, dass sich die Verhältnisse zwar schon geändert hatten, aber dass es noch so viele Relikte gab, die nicht beim Namen genannt wurden.
Willy Brandt dagegen war ins norwegische Exil gegangen. Sie erkannten eine Biographie, die sich abhob von denen der altvorderen Nazis. Der Grund für Sie, sich für Brand zu engagieren?
Ja. Ich bin bei den Sozialdemokraten gelandet wegen seiner Person. Er war der einzige, der eine wirklich makellose Biographie hatte. Adenauer kann man nicht viel vorwerfen, aber er war mir viel zu konservativ. Er hatte natürlich auch nicht viel Auswahl an Leuten, mit denen er zusammenarbeiten konnte. Bei Willy Brandt aber was das vollkommen anders. Die Biographie und vor allem die Anfeindungen der Union deswegen machten ihn noch mehr zu einer Lichtgestalt.
Wie sehr nervt es Sie, dass Sie dauernd auf die angebliche Affäre mit Willy Brandt angesprochen wurden?
Na, heute nervt das nicht mehr. Unmittelbar nach Brandts Rücktritt, als auch die ganzen Unterstellungen mit seinem Hang zu Frauen auftauchten, da hat's mich schon genervt.
Beim Urlaub der Familien Bruhns und Brandt war auch ein gewisser Günter Guillaume dabei. Haben Sie etwas geahnt?
Natürlich nicht. Brandt wusste von dem Verdacht, Guillaume sei ein Spion der DDR. Sonst aber eigentlich niemand. Aber die Sicherheitsdienste und Genscher meinten, man müsste das unter dem Deckel halten und das Kabinett nicht informieren, um Guillaume nicht zu warnen. Grober Dilettantismus. Ich habe mich angesichts des Versagens der Behörden im Falle des Zwickauer Mördertrios daran erinnert gefühlt. Wozu brauchen wir eigentlich solche Geheimdienste?
Würde es Sie heute noch reizen, über Politik zu berichten?
Ne, nicht wirklich. Politik interessiert mich noch, aber in Maßen. Die Politik hat den entscheidenden Nachteil - oder aber ich bin nicht intelligent genug -, dass ich sie nicht verstehe. Dass eine Bank, die auch noch Lehman heißt, durch ihren Zusammenbruch im fernen Amerika das wirtschaftliche Gefüge der ganzen Welt durcheinanderschüttelt, verstehe ich nicht. Ich weiß nicht, was passiert, wenn Griechenland pleite geht. Das weiß niemand. Wir werden bombardiert mit Milliardenzahlen, die alle virtuell sind.
Sie und Helmut Kohl hatten ein Verhältnis - ein gespanntes Verhältnis...
Ja, das stimmt. Aber es war kein persönliches Verhältnis. Helmut Kohl hat, als er in Amt und Würden war, Stern-Redakteuere nicht vorgelassen, das galt aber für den Spiegel genauso. Weil ja beide Blätter nicht sonderlich zimperlich mit ihm umgegangen sind. Und jedermann weiß, wie nachtragend dieser Mann war und ist. Ich hatte eine tiefsitzende Antipathie. Dann kam dieser Staatsbesuch in Israel, mit diesem Spruch von der "Gnade der späten Geburt". Ich bin fast in Ohmacht gefallen.
Weil dieser Satz die Antithese zu Brandts Haltung bedeutete?
Natürlich. Als ob er sich aus der Verantwortung stehlen könne. Schrecklich.
"Meine unfertigen Erinnerungen" heißt es im Untertitel Ihres Buches. Wann sind sie vollendet?
Wenn der Deckel zufällt.
Dann können Sie aber nicht mehr schreiben...
Ich wollte die Latenz zum Ausdruck bringen, die bereits im Titel steckt. Man weiß doch nie, was kommt. Noch bin ich mopsgesund, gottseidank, und es war immer noch irgendwas um die Ecke. So richtig weiß ich es nicht. Aber ich möchte mir die Tür offenhalten.
Wibke Bruhns Buch "Nachrichtenzeit. Meine unfertigen Erinnerungen" ist bei Droemer erschienen und kostet 19,99 Euro. In München ist sie am 22. März zu erleben: Um 20 Uhr liest sie im Literaturhaus.