Der Maler Joseph Anton Koch in Schweinfurt

Aufmüpfig bis zum Schluss - Zwischen Idylle und Inferno

von Achim Manthey

Joseph Anton Koch, Apoll unter den Hirten, um 1836 (c) Museum Georg Schäfer, Schweinfurt

Liebliche Berglandschaften, römische Stadtansichten und Dantes Inferno. Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zeigt Arbeiten des bedeutenden Landschaftsmalers und -zeichners aus dem Wiener Kupferstichkabinett.

Die Augen weit aufgerissen, der Mund schmerzverzerrt. Nur mühsam erwehrt sich der nackte Agnello Brunelleschi des sechsbeinigen Höllenhundes, der halb Drache ist, sich in Oberschenkel und Bauchmuskel verkrallt hat und die Kehle zu reißen versucht. Giftige Schlangen züngeln im Hintergrund. Es gibt kein Entrinnen aus dem Inferno.

Die "Göttliche Komödie" als Lebenstrauma

In mehr als 200 Zeichnungen hat Joseph Anton Koch von 1801 an die Divina Commedia des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265-1321) illustriert. Eine Reise durch das Jenseits, geteilt in Hölle, Fegefeuer und Paradies, die dieses Werk der Weltliteratur unternimmt und durch den Künstler nachgezeichnet wird. Es sollte ein erfolgloses Projekt bleiben.

Joseph Anton Koch, Agnello Brunelleschi, Vom sechsbeinigen Drachen angefallen, 1803 (c) Akademie der bildenden Künste Wien, Kupferstichkabinett

Die Hölle, das Inferno ist es, mit dem sich Koch in erster Linie auseinandergesetzt hat. Luzifer ist der gnadenlose Verteiler des postmortalen Aufenthalts, der ohne Ansehen von Person und Prominenz in monströser Weise über das Schicksal entscheidet. Das 1803 entstandene Bild Luzifer in der Mitte der Hölle. Judas, Brutus, Cassius" gibt beredtes Zeugnis. Auch die Diebe müssen büßen, wie die Federzeichnung Die Strafe der Diebe im Tale der Schlangen und Drachen aus dem gleichen Jahr belegt.

In Tirol wollte der Bub nicht bleiben

In die Wiege gelegt war das Joseph Anton Koch nicht. 1768 wird er in Obergiblen/Tirol geboren. Die Eltern sind arm. Schon früh fällt sein zeichnerisches Talent auf. Es hätte nahe gelegen, das an den heimischen Alpen auszutesten. Aber nein, den Balg zog es in die Fremde. Die Lehre bei dem Augsburger Hofbildhauer Martin Ignaz Ingerl schmeißt er nach nur vier Monaten hin. Mit Glück und Protektion landet er 1785 an der Stuttgarter "Carlsschule", wo er erst fleißig studiert, dann aber wegen seiner Begeisterung für die Ideale der Französischen Revolution in Konflikte kommt und 1791 nach Straßburg abhaut. 1792 geht es nach Basel weiter, wo der schnell aus der Stadt gewiesen wird. Bern, Biel und dann Italien, Florenz. Aus den Uffizien wird er wegen "zu überschwänglichen Verhaltens" 1795 hinausgeworfen. Stationen in Neapel, Salerno und Paestum, bevor er schließlich in Rom ankommt und sesshaft wird.

Endlich in Rom

Er studiert bei Johann Christian Reinhart und Asmus Jakob Carstens. 1806 heiratet er Cassandra Rainaldi, mit der er drei Kinder hat. Koch wird bald Mittelpunkt der deutsch-römischen Künstlerkolonie um den Lukaskreis, der sich 1810 in Rom niederließ. Viele junge Künstler scharen sich um ihn, lernen von ihm. 1812 geht er nach Wien, wo er sich größeren wirtschaftlichen Erfolg erhofft, der jedoch bei aller künstlerischen Anerkennung ausbleibt. 1815 kehrt er nach Rom zurück, wo er Teile der Ausmalung des Casino Massimo übernimmt. Zwischen 1824 und 1829 entsteht dort ein Zykus von Fresken zu Dantes "Göttlicher Komödie". Am 12. Januar 1839 stirbt er in Rom.

Joseph Anton Koch, Luzifer in der Mitte der Hölle, Judas, Brutus, Cassius, 1803 (c) Akademie der bildenden Künste Wien, Kupferstichkabinett

 

Der Vater des röhrenden Hirsches vor Berglandschaft?

Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden die Werke aus der römischen Schaffensperiode. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wendet sich Koch verstärkt wieder der Landschaftsdarstellung zu. Es entstehen topographisch bestimmbare, vor allem aber frei gestaltete, heroisierende Naturansichten, die durch biblische und mystische Szenen und Figuren ergänzt werden. "Die Kunst muß geben, was die Natur nicht hat, alsdann nur ist sie schöpferisch", schreibt er 1810. In der Umgebung Roms, die er sich auf zahllosen Wanderungen erschloß, fand er für sich das Ideal von Naturlandschaften. Seine Arbeiten wurden richtungweisend für die Landschaftsmalerei, in der insbesondere die Bergwelt, die den Menschen bis dahin bedrohlich und geheimnisvoll erschien, entmystifiziert wurde. Ohne es zu wollen war er damit aber auch der Geburtshelfer des röhrenden Hirsches vor Berglandschaft über deutschen Sofas. Frühe, zwischen 1792 und 1794 in der Schweiz entstandene Natur- und Landschaftsstudien, die bereits auf sein späteres Schaffen hindeuten, vervollkommnen das Bild in der Schau.

Joseph Anton Koch, Vietri am Golf von Salemo, 1795 (c) Akademie der bildenden Künste Wien, Kupferstichkabinett

Vollständig gezeigt wird die aus 20 Blättern bestehende Radierserie Vedute Romane, eine Reihe römischer Ansichten, die mehr durch ausgewogene Komposition als durch Wirklichkeitstreue geprägt ist. Auch Illustrationen zu James Macphersons Gesänge des Ossian sind zu sehen. Werke seiner Schüler zeigen den Einfluss des Künstlers auf nachfolgende Generationen.

Freiheitsliebend, politisch engagiert, stets für die Kunst und ihre Freiräume eintretend. Von Zeitgenossen wir er als außergewöhnliche Persönlichkeit beschrieben, ein eigener Charakter, ein Typ. Das findet sich in den Portraits und Karikaturen wieder, die zu sehen sind.

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Wiener Kupferstichkabinett der Wiener Akademie der Bildenden Künste,  das schon 1895 wesentliche Teile des Nachlasses von Joseph Anton Koch erworben hat. Die mehr als 60 Exponate werden durch 17 Bilder aus dem Bestand des Museums bereichert. Nach Wien und Rom ist Schweinfurt die dritte und letzte Station der Schau, die so nicht mehr zu sehen sein wird. Spätestens jetzt ist die mainfränkische Metropole angekommen im Kreis der internationalen Kunstszene.

Bis zum 6. Mai 2012 im Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20 in Schweinfurt, Di-So 10-17 Uhr, Do 10-21 Uhr. Zur Ausstellung ist ein reichhaltiger Katalog erschienen. Zeitgleich zeigt das Museum eine bemerkenswerte Sonderschau für Kinder, in der Bilder aus dem Bestand auf deren Augenhöhe präsentiert und erklärt werden. Eine schöne, nachahmenswerte Geschichte.

 

Veröffentlicht am: 13.04.2012

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