Grimaud mit Brahms' Klavierkonzert in d-Moll
Zwei entdecken die Langsamkeit
Hélène Grimaud wirkt zart und zerbrechlich - auf den ersten Blick scheint die französische Pianistin für das d-Moll-Konzert von Brahms keine Idealbesetzung zu sein. Doch dass sie zupacken kann, hat sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen, auch in München.
Die beiden Sonderkonzerte des Symphonieorchesters des BR im Herkulessaal waren wohl als Generalprobe für das Gastspiel am Wochenende im Wiener Musikverein gedacht. Dirigent Andris Nelsons begann den mit "Maestoso" überschriebenen ersten Satz von Brahms derart gemächlich, dass man eine Kopie von Celibidache am Pult wähnte. Die langsame Gangart gestattete Hélène Grimaud, eine Fülle von Einzelheiten hervorzuheben, die ansonsten zumeist einer pauschal virtuosen Allüre geopfert werden. Dass der Komponist in diesem frühen Werk bereits hervorragend zu instrumentieren wusste, wurde deutlich wie in kaum einer anderen Aufführung. Allerdings konnte die Gelassenheit, mit der beide Akteure selbstgefällig das Werk auf fünfzig Minuten dehnten, Durchhänger nicht verhindern - auch deshalb, weil die Pianistin Klangfarbenvarianten nur äußerst sparsam einsetzte.
In Bartoks "Konzert für Orchester" wiederholten sich die Eindrücke. Der lettische Dirigent scheint trotz gelegentlich übertriebener Gestik kein Temperamentsmusiker zu sein. Große Bögen zu formen, ist nicht seine Sache. Statt dessen stürzte er sich auf Details, die er liebevoll ausformte, ohne dem Symphonieorchester des BR die Freiheit zu eigener Gestaltung zu nehmen. Auch wenn da und dort rhythmische Striktheit fehlte - es ließ sich nachvollziehen, warum Andris Nelsons derzeit so umworben ist. Auch beim BR scheint man ihn ins Herz geschlossen zu haben. In einer Woche darf er erneut den Taktstock schwingen - dann mit Janine Jansen als Solistin des Violinkonzerts von Brahms.