"Blumentopf" im Muffatcafé
Mit knallrotem Kopf und klingelnden Ohren
Es sind Sekunden, nicht Minuten, in denen es sich entscheidet und in denen auch allen sofort klar ist, dass das ein großer Abend wird. Die fünf Jungs von "Blumentopf" betreten die Bühne und das Publikum, sich selbst zur Mitte hin eng zusammenpressend, um dem Epizentrum so nah wie möglich zu sein, explodiert aus dem Stand.
Schon die Wahl der Location – das kleine Muffatcafé und eben gerade nicht die Halle – sorgt für eine Intimität, die suggeriert: Das hier ist eine Party unter Freunden. Die Bühne, auf der Cajus, Holunder, Schu, Roger und Sepalot stehen ist knapp so hoch wie eine einzelne Treppenstufe. Es fehlen nur die Geldscheine in den Händen der Zuschauer, denn so wie sie sich den Jungs im schummrigen orange-roten Licht zappelnd entgegenrecken erinnert das an die Szenerie einer Hundekampfarena. Die Fans in der ersten Reihe könnten den Rappern problemlos ins Gesicht fassen, so nah sind sie dran.
Immer wieder bestellen die MCs von "Blumentopf" Schnäpse und stoßen mit dem Publikum an. Hier sind die Fans, die von Anfang an dabei waren, die ihren Topf mitgenommen haben durch die erste große Liebe, den ersten Rausch, den Auszug von zu Hause und den ersten richtigen Job. Pure Nostalgie also, auch weil an diesem Abend fast ausschließlich Lieder der ersten beiden Blumentopf-Alben gespielt werden: „Kein Zufall“ von 1997 und „Grosses Kino“ von 1999.
„Mann oder Maus“, „Fuck The System“, „Rave On“, „Man kann nicht alles haben“ – und ganz plötzlich ist man wieder 16 Jahre alt und kann jedes einzelne Wort mitbrüllen. Und so ist man spätestens bei „Party Safari“ ein bisschen in Sorge, dass der gewaltig tosende Partysturm den britischen Singer-Songwriter Billy Bragg nebenan im Ampere einfach von der Bühne wischt.
Unterbrochen werden die Klassik-Knaller immer wieder durch das, was den Topf in der Hip-Hop-Szene so besonders macht: Freestyles, die sie im Laufe der Jahre so brillant perfektioniert haben und so spielend-leicht und schwindelerregend hervorzaubern, dass sie 2009 auf Freestyle-Tour waren. Überhaupt nur ihnen, so scheint es, ist es erlaubt über das verlorene Champions League-Finale zu rappen; was eingefleischten Bayernfans, die die Existenz dieses Ereignisses - ja des ganzen Tages - zutiefst verleugnen, zumindest ein gequält-anerkennendes Lächeln auf die Lippen zaubert.
Das Publikum wird nicht heiser und nicht leiser, der Atem scheint unendlich lang, die Lust auf diese Party nicht zu stillen und so folgt Zugabe auf Zugabe auf Zugabe. Eine davon: "6 Meter 90", der vielleicht populärste "Blumentopf"-Hit, der in einer einzigen gewaltigen Stimme vom Publikum mitgerappt wird. Und so fühlt sich dann also Gänsehaut auf schweißnasser Haut bei gefühlten 48 Grad an.
Und dann, nach zwei Stunden ist es vorbei. Die Ohren klingeln und man grinst sich an, wenn auch ein bisschen desorientiert und verwirrt, denn was war das denn bitte eben?! Viele kaufen sich ein T-Shirt, wohl auch um nicht im vollkommen nassgeschwitzten eigenen Shirt nach Hause laufen zu müssen. Wer noch ein Autogramm ergattern will, der muss warten: „Die müssen erst mal kurz runterkommen.“ Das ist auch ein Kompliment an das Publikum; das aber will alles andere als runterkommen, im Gegenteil: Ein bisschen schwebt man nach Hause, mit knallrotem Kopf und klingelnden Ohren.
Bilder vom Konzert: