Demonstration für das Amerika Haus
Münchner umarmen gute Freunde - gegen den Rauswurf
Als wollten sie es beschützen bildeten Hunderte eine Menschenkette um das Amerika Haus (Foto: Achim Manthey)
Unter dem Motto "Die Münchner umarmen das Amerika Haus" demonstrierten am Freitag mehrere hundert Menschen für den Erhalt dieser Institution am Karolinenplatz.
Um 16 Uhr war es so weit. Der Kreis, den Bürgerinnen und Bürger nicht nur aus München Hand in Hand um das Amerika Haus gebildet hatten, schloss sich. Es war weniger ein Akt der Verzweiflung als ein Ausdruck der Hoffnung, das scheinbar Unabwendbare im letzten Moment noch umzukehren. Eine fröhlich-friedliche Aktion mit ernstem Hintergrund.
Die Not ist groß, denn die Zeit wird knapp. Am 30. Juni 2012 endet die Frist, bis zu der die Bayerische Staatsregierung die Nutzungsvereinbarung mit dem Träger des Amerika Hauses kündigen muss, wenn sie es tatsächlich neu vergeben will. 2013 wäre dann Schluss. Der Bayerisch-Amerikanische Zentrum im Amerika Haus e.V. (BAZ) hatte daher gemeinsam mit dem Amerika Haus München e.V. und dem Bezirksausschuss 3 Maxvorstadt zu einer Demonstration für den Erhalt des Standortes aufgerufen. Einige hundert Menschen hatte sich am Freitagnachmittag bei bestem Demonstrationswetter am Karolinenplatz eingefunden, darunter so prominente Gesichter wie Hildegard Hamm-Brücher und der Münchner Alt-Oberbürgermeister Hans -Jochen Vogel. Auch Vertreter fast aller im Landtag vertretenen Parteien waren gekommen - nur eine fehlte da plötzlich.
Vehement sprach sich Alt-OB Hans-Jochen Vogel für den Erhalt des historisch bedeutsamen Standorts aus (Foto: Achim Manthey)
Worum geht es? Da gibt es die bisher in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Deutsche Akademie für Technikwissenschaften (Acatech), die derzeit in der Münchner Residenz und an einem weiteren Standort in der Stadt untergebracht ist, aber meint, dringend neue, repräsentative Räume zu benötigen, andernfalls man nach Berlin gehen könnte. Mit diesem Ansinnen und fertigen Umbauplänen soll ihr Gründungspräsident Joachim Milberg, seines Zeichens auch Vorstandsvorsitzender der BMW AG, im Spätherbst bei Ministerpräsident Horst Seehofer erschienen sein und das Haus am Karolinenplatz 3 ins Gespräch gebracht haben.
Der Landesvater, den Oskar Holl, der Bezirksvorsitzende Maxvorstadt, auf der Veranstaltung ohne Namensnennung denn auch als "Stiefvater" bezeichnete, zeigte sich angetan. Ein Schelm, wer dabei an einen Zusammenhang mit den kurz zuvor von Wikileads veröffentlichten vertraulichen Dossiers, in denen sich der US-Generalkonsul in wenig schmeichelhafter Weise über Horst Seehofer äußerte, denkt. Was folgt, war ein Possenspiel der bayerischen Art, das damit endete, dass der Ministerrat Anfang August 2011 auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause die Schließung des Amerika Hauses beschloss. Es soll nach einer aufwändigen Renovierung der Acatech mietfrei als Akademiegebäude überlassen werden. Dagegen richtet sich massiver Widerstand.
Nach Ende der Nazi-Diktatur hatten die amerikanischen Militärbehörden 1946 eine kleine, allgemein zugängliche Bibliothek in der Beethovenstraße eröffnet, die 1948 im ehemaligen "Führerbau" an der Arcisstraße unterkam. Die Bayerische Staatsregierung unter dem Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner finanzierte schließlich den Bau der eleganten Villa am Karolinenplatz, in die 1957 das Amerika Haus - der Name ist ein von Münchner Bürgern erfundener Spitzname, der so gut gefiel, dass er übernommen wurde - einziehen konnte. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. 1997, als die damalige US-Regierung sich außenpolitisch neu ausrichten und Gelder einsparen wollte, blieb die Unterstützung aus. Aber Politiker, Bürger und Kulturschaffende taten sich zusammen, um das Projekt fortzuführen. Seit 1998 ist der BAZ Träger des Amerika Hauses.
Als "Beziehungsschmiede zwischen Nordamerika und Bayern" bezeichnete der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber die Einrichtung einmal. Bayernweite Serviceleistungen in den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Kultur und Politik erreichen jährlich tausende Schüler, Lehrer und Studierende, bedeutende Ausstellungen - derzeit werden die frühen Fotos von Erich Hartmann gezeigt - sind bei immer freiem Eintritt zu sehen.
Hans-Jochen Vogel, kämpferisch, weise, ironisch, wies in seiner Rede während der Demonstration darauf hin, dass das Amerika Haus "ein Stück Münchner Stadtgeschichte" geworden sei. Als Kontrapunkt zu den umliegenden Nazi-Bauten sei das Haus die Antwort gewesen auf das NS-Gewaltregime, bis heute ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung, das "Symbol für eine neue Zeit", das dort erhalten werden müsse. Erinnerungen haben sie alle: Vogel, der 1950 die Bibliothek zum ersten Mal nutzte, ebenso, wie die Studentin Constanze Sabathil, die von ihren jüngeren Erfahrungen berichtete.
Widerstand kommt auch aus den eigenen Reihen der Regierungsparteien. Die Landtagsabgeordnete Ursula Männle (CSU) kündigte an, gemeinsam mit Thomas Goppel einen Antrag einzubringen, um die bisher unverrückbar erscheindende Haltung der Staatsregierung zu überprüfen. Der Landtagsabgeordnete Michael Piazolo von den Freien Wählern meinte, dass neben den Erinnerungen, die jeder Nutzer mit dem Haus verbinden würde, auch "Bilder für die Zukunft" von dem Standort ausgehen müssen.
Einigkeit bestand darüber, dass die Gründe für den Umzug nicht zwingend seien. Der Acatech stünden repräsentative Alternativen zur Verfügung, so die Residenz, wo nach Auszug der Ägyptischen Sammlung 2013 reichlich Platz frei werde. Auch die Alte Akademie käme in Betracht. Ob dieser "bisher unbekannten Akademie noch nicht einmal die Residenz gut genug" sei, fragte Vogel.
Anfang Juni hatte Bettina Randhahn, die Vorstandsvorsitzende des Amerika Haus Vereins, dem Staatsminister Kreuzer eine Liste mit 3650 Unterschriften von Bürgern übergeben, die sich gegen die Schließung des Amerika Hauses aussprechen. Auch dies konnte die Staatsregierung bislang nicht umstimmen. Die rege Teilnahme an dem Aktionstag zeigte jedoch, dass auch hier die Hoffnung zuletzt stirbt. Gute Freunde lässt man nicht fallen. Man umarmt sie.