"Das schlaue Füchslein" im Prinzregententheater
Baumschule mit Unterrichtsfach Vaudeville
Es geht ein großer Reiz aus vom schlauen Füchslein. Leos Janacek ist dem auf jeden Fall erlegen und er soll seine mährische Sommernachtstraum-Musik um die "Abenteuer des Füchsleins Schlaukopf" - so der Titel der vorausgehenden Novelle von Rudolf Tesnohlidek - auch für seine beste Oper gehalten haben. Über den herausragenden kompositorischen Stellenwert herrscht eitel Einigkeit. Deutliche Differenzen liegen jedoch in der Einschätzung und Bewertung des Librettos.
Im Prinzregententheater war in der Kooperation von Gärtnerplatz und Theaterakademie eine weitere Variante des klassischen und ungelösten Grenzganges zwischen Natur und Wildnis, Mensch und Tier zu erleben. Zu genießen.
Am Anfang der Werkgenese dieser Oper steht eine Zeichengeschichte, ein Comic. In der "Lidové Noviny", dem "Volksblatt erschien in den 1920er Jahren in Brünn täglich eine Episode der "Bystrouka", des Füchsleins Schlaukopf. Janacek beschäftigte sich mit den Sprechmelodien seiner Landsleute, Notierungsweisen der Alltagsäußerung. Kind des 19. Jahrhunderts, dem Zeitalter Bürger-Emanzipation und dem Heraufkommen der Nationalstaaten, ereiferte sich Janacek auch für die Heimat, die Folklore, und natürlich auch für den Wald. Das dortige Tierkonzert inspirierte ihn zusätzlich. Wie er sagte: Er suchte in "allem, was da rief". Aber hatte er nicht selbst zuvor schon in den Wald hineingerufen? Pantheistisch - panslawistisch - völkisch? Janacek jedenfalls schreibt die Novelle vom Füchslein Schlaukopf selbst um. Er ist in diesem Fall sein eigener Librettist - wie Wagner, der das zur Methode machte. Nicht die einzige Ähnlichkeit zwischen den beiden klanglichsehr gegenpoligen Komponisten.
Mit der Einschreibung des menschlichen Körpers in die Welt der Tierfabel erotisiert Janacek den Stoff natürlich erheblich. Aus dem Füchslein wird die Füchsin, die verführende Frau. Mehr, sie ist die Verführung zur Freiheit. Fern klingt die Habanera der Carmen an. Oder Delacroix, Kind desselben Jahrhunderts: Barbusig ist sie, "Die Freiheit, die das Volk führt". Denn Genuss ist Quelle aller Rebellion - Urszene aller Verführung, die heimsucht in den Traum, in das delirische Leben der Kleinbürgerlichkeit.
Die hochgelobte, in München durch Inszenierungen wie die der "Tri Sestri" von Peter Eötvös bekannte Choreografin und Regisseurin Rosamund Gilmore setzt weniger auf dunkle, raunende, mysteriöse Bilder. Auch nicht auf vordergründige Grausamkeit. Und das ist richtig so. Denn dies ist nicht in der Musik von Janacek zu finden. "Prima la musica et poi la scena". Und folgt man desweiteren der Entstehungsgeschichte des Plots, der entstanden ist heraus aus einem Comic, dann angereichert wurde durch die somnambulen Sexfantasien alter Männer, dargestellt in der Oper durch den Förster (überzeugend: Thomas Papendell), den Schulmeister (Christoph Späth) und den Pfarrer (Marios Sarantidis), so erscheint der Ansatz von Bühne (Friedrich Oberle) und Regie absolut gerechtfertigt. Der Anteil des Gesangparts ist schließlichauch nicht zu opulent. Außer einem wunderschönen Liebesduett der beiden Füchsleins (Füchslein Schlaukopf: Elaine Ortiz Arandes und Goldfuchs: Thèrèse Wincent) hat kaum etwas klassischeren Ariencharakter. Die Musik ist nervös, sie bildet keine Leitmotive, sie schwingt sich kaum und wenn, dann nur kurz. Es tschillpt, schwirrt und zerrt. Die aufgeregten Flöten tanzen wie Libellen über einem dampfigen Teich, schwirren oftmals in der großen Sekund, dem Leitintervall der Oper. Man versteht die häufig apostrophierte Verwandtschaft zu Richard Strauss. Das Orchster unter Leitung von Andreas Kowalewitz meisterte die schwierige Partitur jedenfalls souverän.
Die Regisseurin Rosamund Gilmore entschied sich folgerichtig für eine komödiantische Sicht der Dinge. Da gab es in ihren Choreographien schönkauzige Referenzen zu den 1920er Jahren. Herrliche Charleston-Hühner (Kostüme: Nikola Reichert), Hot Dance-Libellen und Shimmy-Hunde tobten durch einen Raum, der zwischen Wald und Schule alterierte. Eine Baumschule mit Unterrichtsfach Vaudeville? Und gesoffen werden musste da natürlich auch noch!
Am Schluss war es allein der Lebensweg des Füchsleins mit anrührenden Momenten von naiver Traurigkeit, kindlichen Tränen. Wie das erschossene Füchslein unter einer Schultafel liegt, auf das es vorher das Wort Freiheit gekrakelt hat - das war ergreifend. Wie, von einer nebulösen Ahnung getragen, eine Schülergruppe, traumwandlerisch die Zukunft ahnend, die Galerie erklimmt. Werden sie Flugblätter hinabwerfen wie Sophie Scholl und ihre Kommilitonen?
Die Schule, dort verliert man seine Kinder an die Welt. Dort muss immer wieder das Füchslein sterben. Aber nicht sein Prinzip. Das ist der wiederkehrende Frühling.
Nächste Vorstellungen am 22., 23., 25., 28., 29., 30. Juni 2012 im Prinzregententheater, jeweils 19 oder 19.30 Uhr, Tel. 089/2185 1960