Ibsens "Peer Gynt" in Salzburg
Ein Rockstar auf popbunter Weltreise-Revue
PG ist ein Rockstar. In hautengen Gold-Glitzer-Hosen röhrt er Songs von Iggy Pop, die dieser extra für ihn geschrieben hat. Er hampelt herum wie Mick Jagger, lässt sich in der Afterparty von Groupies betatschen und gibt in der Pressekonferenz das arrogante Weltruhm-Arschloch, das besoffen und bekifft jede Bodenhaftung verloren hat.
Das ist Peer Gynt in der Inszenierung von Irina Brook bei den Salzburger Festspielen. Die Regisseurin hat den grottenschlechten und auch als karikierende Klamotte unspielbaren zweiten Teil von Ibsens gern als nordischem "Faust" bezeichneten Drama "Peer Gynt" schlichtweg neu erfunden. Und mit zwölf Poemen des US-Autors Sam Shepard (extra für diese Aufführung geschrieben) und zwei Songs von Iggy Pop für heute umgedichtet. Das Wagnis geht inhaltlich auf. Aber was Irina Brook mit ihrer Compagnie erzählt, schwankt zwischen Musical-Revue und naivem Kindermärchen. Zur Premieren-Pause auf der Pernerinsel gab's dafür Buhs, am Ende der dreieinhalb Stunden nur noch Jubel und Getrampel. Wohl hauptsächlich für die beeindruckende physische Leistung des isländischen Protagonisten Ingvar E. Sigurdsson als Peer Gynt. Der überzeugt aber nicht in allen Lebens-Lügen-Lagen: Zu stereotyp bleibt die Haltung seiner frontal ins Publikum geschrieenen Erkenntnisse, ehe er sich nach überlangem Schlussmonolog in den Schoß seiner Geliebten legen darf wie einst in den seiner Mutter.
Vor der Pause folgt Irina Brook noch halbwegs Ibsens Vorgabe - und erzählt diese schlüssig in naivem Märchenton. Offen steht auf der Bühne rum, was man braucht, und wird bei Bedarf herangeschleppt. Alle Darsteller sind auch Musiker, sie singen, spielen und tanzen. Das schafft immer wieder Atmosphäre, die das gelegentlich hölzerne Spiel der international zusammengewürfelten Compagnie aus Paris weiterträgt.
Das Abenteuer-Leben drumherum, das Peer in der großen Welt sucht, ist eine rasende Show. Sein Abstecher in die Trollwelt (der fast allen Regisseuren mißlingt) wird leichthändig zu einer popbunten Revue. Die im Original marokkanische Anitra findet er in einer taxanischen Hillbilly-Bar, wo sie ihn mit "Teach me Tiger" anschmachtet und dann von ihrem Freund zusammenschlagen lässt. Das Irrenhaus in Kairo ersetzt eine Sekte von Wahrheitssuchern, die Todes-Allegorien von Knopfgießer und dem leichenheischenden Schiffspassagier sind Zirkusfiguren.
Irina Brook, die Tochter der Regie-Legende Peter Brook , mischt völlig unbekümmert alle Genres. Das geht ab und zu ergreifend gut - oft aufgrund der melancholischen Musik -, aber meistens nicht. Der Aufführung fehlt es an Rhythmus und Timing. Aber es bleiben schöne Szenen im Kopf: Wenn die schöne, keusche Solveig von Shantala Shivalingappa Peer als grüne Dämonin Peer mit einem erotischen Tanz verführt.
Am 3. bis 5., 14., 15., 17., 18. August 2012, Salzburger Festspiele, Pernerinsel Hallein, 19.30 Uhr, Tel.: 0043 662 8045 500, www.salzburgfestival.at