Kinderwagenverbot im Hofgarten!

von Achim Manthey

Nein, nein, verehrte Leserin, geneigter Leser. Nichts von dem, was Sie jetzt vielleicht denken. Auch der Oberbürgermeister kann nichts dafür. Aber bis zum 21. März 1878 waren Kinderwägen im Hofgarten tatsächlich verboten. So jedenfalls ist es nachzulesen in dem jüngst erschienenen Buch "Absolut München - Das München-Sammelsurium" von Max Hirschkäfer.

Sammelsurien, also ungeordnete, unsystematisch angelegte Sammlungen, Zettelkästen zwischen zwei Buchdeckeln quasi, erfreuen sich auf dem Buchmarkt seit geraumer Zeit einiger Beliebtheit. Ben Schott hat damit angefangen, Dr. Ankowitsch zog nach, auch wenn er es Hausbuch oder Kleines Konversationslexikon nannte, Sammlungen über Frauen und Männer, Paare, über Essen und Trinken, kuriose Rechtsfälle oder Sex. Höchste Zeit also, dass so etwas auch über die schönste, beste, tollste Stadt der Welt, über München also, erscheint.

Auf 13,7 km Länge durchfließt die Isar das Stadtgebiet (Foto: Achim Manthey)

Erbarmt und berufen gefühlt dazu hat sich nun Max Hirschkäfer. Hinter dem Namen verbirgt sich dem Vernehmen nach Martin Arz, der Verleger des kleinen, rührigen Hirschkäfer Verlages.

Auf 224 Seiten wird hier in völlig willkürlicher Reihenfolge viel nützliches und ebenso viel unnützes München-Wissen vermittelt.

Wer weiß denn, dass neben Isar und Würm weitere 42 Flüsse durch das Stadtgebiet fließen, deren längster der Gröbenbach mit 19.000 m ist und deren kürzeste Kegelhof- und Köglmühlbach mit jeweils 250 m sind?

Was war das denn für ein Dorf, von dem niemand weiß, wie alt es ist,  dessen Geschichte niemand kennt, das keinen Namen hat und an das heute der Straßenname Altheimer Eck erinnert?

Oder die Namen der vier Musiker, die am 21. Juni 1962 noch nach 22.30 Uhr auf der Leopoldstraße aufspielten und durch den dadurch verursachten Polizeieinsatz letztlich die Schwabinger Krawalle auslösten. Hirschkäfer hat sie.

War das Lehel tatsächlich die älteste Eingemeindung Münchens? Gründete sich die Schwabinger Bohème wirklich in Schwabing oder nicht doch nebenan? Das Buch räumt hier mit einer Reihe von Irrtümern auf.

Gedenktafel am Haus Franz-Joseph-Str. 13 in München (Foto: Achim Manthey)

Wer lebte wo in der Stadt? Auffällig viele, Thomas Mann, Rilke, Kandinsky, Lenin auch oder die Geschwister Scholl, hatten sich in Schwabing niedergelassen.

Die Augen vom Tatort? Ein Münchner. Die Antworten findet der Leser hier.

Das Buch ist schon haptisch ein Vergnügen, ein handwerklich sorgfältig gearbeitetes Hardcover mit Lesebändchen. So, wie es der Bücherfreund mag. Die Lektüre regt an, ist oft verbunden mit Aha's, Ach so's, Genau's. Wer sich ein wenig auskennt mit der Geschichte der Stadt und ihren Geschichtchen, wird vieles kennen. Ebenso viel kommt beim Lesen in die Erinnerung zurück, der Leser erfährt aber auch viel Neues. Und er lacht häufig auf, wenn er bei seinen Voreingenommenheiten und Klischees ertappt wird.

Man kann das Buch in einem Rutsch lesen, ohne dass Langeweile aufkäme, oder die Lektüre über längere Zeit erstrecken, ohne den Faden zu verlieren. Jede Seite bietet etwas, das überrascht. Zur Hand nehmen wird man das Buch ohnehin immer wieder.

Das sich in die Vielzahl der gebotenen Informationen auch einige gravierende Fehler eingeschlichen haben, ist verzeihlich. Sie werden auf der aktuellen Internetseite des Verlags korrigiert und sollen in einer zweiten Auflage richtiggestellt werden. Natürlich fehlt einiges an Informationen, die in der Zukunft möglicherweise berücksichtigt werden.

Ausgesprochen ärgerlich ist allerdings die durchgehend schlechte Qualität der wenigen in dem Buch enthaltenen Fotografien. Auch wenn hierauf nicht der Schwerpunkt des Buches liegt: das können Schülerzeitungen besser. So etwas muss heute nicht mehr sein.

Der Spaß mit dem Buch überwiegt. Um anzugeben mit dem Wissen über die Stadt ist es sicherlich unerläßlich. Es wappnet für jedwede Diskussion.

In diesem Sinne viel Freude und - richtig - pfiad eana oder pfiadi.

Max Hirschkäfer, Absolut München - Das München Sammelsurium, Hirschkäfer Verlag 2010, 16,90 Euro, www.hirschkaefer-verlag.de

Veröffentlicht am: 10.01.2011

Andere Artikel aus der Kategorie
Michele Vitucci
10.01.2011 13:17 Uhr

Herrlich, ein Heimatkunde-Buch für Erwachsene. Das Buch werde ich mir sicher kaufen und meine Kenntnisse über meine Wahlheimat auffrischen. So vieles habe ich seit meiner Grundschulzeit in den späten 60igern schon vergessen. Wir hatten damals eine Lehrerin, die uns mit ihren Geschichten über München die Stadt zum reinen Abenteuer-Spielplatz gemacht hat.

Gerade so ein Wissen gestaltet das Leben in einer Stadt noch einen Tick interessanter.