Zur Affäre um den CSU-Sprecher Strepp
Als mich der Sprecher der bayerischen Landtags-SPD bedrohte
Der Bayerische Landtag ist ebenso wie die Staatskanzlei ein Ort, von dem aus telefoniert wird. Foto: Salvan Joachim
Medienkultur absurd: Ein Sprecher der CSU ruft bei einem öffentlich-rechtlichen Sender an. Angeblich soll er "mit Diskussionen gedroht" haben, falls über den Landesparteitag der SPD-Opposition berichtet wird. Dies wird öffentlich bekannt, kurz darauf ist der Mann seinen Job los. Seitdem überschlagen sich Kritiker und Mutmaßer, ob Bayern womöglich ein demokratisches Entwicklungsland sei, in dem Zensur ausgeübt werde. Die SPD sieht naturgemäß die Staatsspitze in der Verantwortung; SPD-Landtags-Spitzenkandidat Christian Ude sprach von einer "ganz systematischen Intervention". Hier einige sehr persönliche Erinnerungen, wie es die bayerische SPD einmal selbst versucht hat.
Noch einmal kurz zur aktuellen Lage: Die "SZ" titelt pfeilgerade "Affäre um einen Drohanruf" und berichtet, dass der CSU-Sprecher Michael Strepp "Druck gemacht" habe, das ZDF solle auf einen geplanten Bericht über den Aufstellungsparteitag von Seehofers SPD-Gegenkandidat Christian Ude verzichten.
"Faz.de" titelt "ZDF-Affäre", der zuständige ZDF-Redakteur berichtet dort, Strepp habe gedroht, „dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende“. Zudem habe Strepp "mehrere SMS-Nachrichten an ZDF und ARD" geschrieben.
Das Getöse war gewaltig. Am weitesten ging Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der Bayern mit einem Entwicklungsland verglich, in dem "die Regierung die Pressefreiheit nicht achtet". Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hielt es schließlich für notwendig zu erklären, dass "Druck und Zensur gegenüber den Medien völlig inakzeptabel" seien. Dass Strepp sein Amt aufgeben musste, sei, so Seehofer, ein "notwendiger Schritt", denn eine Zusammenarbeit von Strepp und den Medien sei nun nicht mehr möglich. Der Deutsche Journalistenverband erklärte am Freitag, die "versuchte Einflussnahme" sei "skandalös", offenbar herrsche in Bayern "Wahlkampf total".
Selbstverständlich ist jede Form von Zensur in einer Demokratie inakzeptabel. Doch ist das wirklich "Zensur" oder "Bedrohung", wenn ein Parteisprecher in einer Redaktion anruft und "Diskussionen" ankündigt? Sicherlich kommt es dabei sehr auf die Tonart und noch viel mehr auf die Untertöne an. Doch was wissen wir denn darüber bislang? Gibt es eine Aufzeichnung des Gesprächs? Gibt es den genauen Wortlaut?
Und warum darf ein Regierungssprecher nicht genau das tun, wozu heutzutage jeder Zeitungsleser und Onlineuser von jedwedem Medium beständig aufgefordert wird: Rufen Sie uns an, Sagen Sie, was Sie empört, diskutieren Sie mit uns! So lautet doch die "lesernahe" Botschaft vom lokalen Boulevard bis zum überregionalen Wochenblatt. Weil es nicht dasselbe ist? Aber warum denn nicht, bitteschön?
Dazu noch zwei Anmerkungen, die eine ist eher allgemeiner Art, die andere persönlich. Erstens: Wie steht es wirklich um Redaktionen, die sich offenbar bedroht fühlen, wenn ein Parteisprecher anruft, Anmerkungen zur Berichterstattung macht und "Diskussionen" ankündigt? Wie steht es um weitere Medien, die diesen Vorgang nicht nur aufgreifen, was ja billig und recht ist, sondern sich fortan darin gegenseitig zu überbieten suchen, wer die größere Skandalisierung betreibt, wohlgemerkt ohne dass sich die Sach- und Kenntnislage seit der ersten Nachricht wesentlich geändert hätte? Und wie steht es um eine Opposition, die ganz einfach nur auf den immer lauter hupenden und immer schneller fahrenden Zug aufspringt, anstatt ihre Seriosität und ihre ernsthaftes Interesse durch eine entsprechende Intonierung zu beweisen?
Und so wären wir bei der zweiten Anmerkung, einer persönlichen zu einem eigenen Erlebnis vor einigen Jahren mit der bayerischen SPD. Diese hätte nämlich allen Grund, mal ihre Sprecher zu befragen, wie sie mit wem und warum telefonieren. Wie überhaupt alle Parteien mutmaßlich ihre Sprecher auswechseln müssen, wenn das, was bislang über den "Fall Strepp" bekannt ist, tatsächlich schon den ganzen Kern der Sache ausmacht.
Es dürfte um das Jahr 2001 gewesen sein, als ich, damaliger Stellvertretender Ressortleiter des Bayernteils der Süddeutschen Zeitung, eines Nachmittags einen Anruf erhielt. Es meldete sich der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, der sich in zunächst recht freundlichem Tonfall erkundigte, wie denn so die Lage in der Redaktion sei. Nach kurzem Geplänkel wurde er deutlicher, was er eigentlich wollte: Die Berichterstattung der Redaktion über die bayerische SPD werde von seiner Fraktion und seiner Partei nicht goutiert. Man werde einen weiterhin so kritischen Umgang mit seiner Fraktion und seiner Partei auch nicht länger hinnehmen, schließlich sei man früher ganz anders behandelt worden.
Ich entgegnete, dass er mir als gerade verantwortlichem Redakteur dieses gerne erzählen könne, wie er es auch gerne bei anderer Gelegenheit dem Ressortleiter oder dem Chefredakteur oder wem auch immer erzählen könne, dass wir über seine Resonanz gerne nachdenken, dass aber letztlich die Frage, wie über etwas berichtet oder nicht berichtet werde, einzig und allein die Angelegenheit unserer Redaktion sei. - Eine Binse, sollte man eigentlich auch heute noch meinen.
Der Anrufer aus den SPD-Büros im Bayerischen Landtag war nun sehr ungehalten und schlug einen Tonfall an, den man als laut und aggressiv beschreiben kann: Er werde Mittel finden, die Berichterstattung wieder "auf den richtigen Weg" zu bringen und er wolle jetzt sofort meinen Vorgesetzen sprechen. Ich antwortete ihm, dass der Ressortleiter sich im Urlaub befindet, weswegen er mit mir Vorlieb nehmen müsse. Daraufhin wollte er wissen, wann der Ressortleiter zurückkomme. Ich sagte, dieses möge er doch bitte selbst herausfinden und beendete das Gespräch.
Bedrohte er mich? Gar unser Blatt? Die Pressefreiheit?
Als mein Ressortleiter aus seinem Urlaub zurück war, berichtete ich ihm von dem Anruf. Wir schüttelten die Köpfe über so viel Plumpheit - und damit war die Sache erledigt. Ich möchte auch heute noch betonen, dass mich der damalige Anruf empört hat und ich Anrufe dieser Art grundsätzlich für "völlig inakzeptabel" halte. Die Zusammenarbeit des besagten Anrufers "mit den Medien", auch dem damals unseren, war aber nicht wirklich gefährdet, sondern fand noch jahrelang und in akzeptabler Weise statt.
Seitdem hat mich auch niemand mehr in dieser Art angerufen. Ich gehe davon aus, dass das an mir liegt und weniger an einer Änderung der Sitten. Die Strepps sind überall: Und es kommt darauf an, wie man mit ihnen umgeht.
Anmerkung der Redaktion (29.10.12, 12.15 Uhr): Michael Strepp war Sprecher der CSU, somit also Parteisprecher. In einer ersten Fassung dieses Textes war teilweise von einem "Regierungssprecher" die Rede, dies wurde korrigiert.