Kleine Kunst- und Kulturorte in und um München (8)

Das Chaos im Kopf hinterm Schweinchenbau

von Achim Manthey

Da schaug'st bei so viel "Allegorie der Lehre" (Foto: Achim Manthey)

Es kann schon eine Qual sein mit der Wissenschaft, die Wissen schafft. In München gibt es die Skulptur dazu.

"Hab nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin. Und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühen. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor." Es ist ein Stoßseufzer, den Goethe seinen Faust nachgerade herauswürgen lässt angesichts der möglichen Leere von Wissenschaft und Lehre.

Das alles hinterm Schweinchenbau (Foto: Achim Manthey)

Auf dem Platz zwischen dem Universitätsgebäude an der Münchner Leopoldstraße, das seines Anstrichs wegen auch "Schweinchenbau" genannt wird, und dem Flachbau der Mensa ist eine Skulptur des Bildhauers Jürgen Goertz plaziert. Drei metallene Flächen auf gegossenem Betonsockel, gegeneinander gestellt zu einem Dreieck, zeigen Bronzearbeiten des Künstlers, die in ihrer Gesamtheit die "Allegorie der Lehre" ergeben.

Es ist schon ein Kreuz mit dem Lehren, Lernen und Studieren: Je tiefer man dringt, umso größer wird die Verwirrung, die Unsicherheit, der Frust. Kopf an Buch, Buch auf dem Kopf und die Musik aus den Kopfhörern hilft auch nicht wirklich. Kein Wunder, dass da die Ausgen aus den Höhlen hervortreten. Hirn tritt aus, begibt sich auf die Flucht, die Hand geht mit, während sich der Fuss verdreht. Von oben kommen keine Signale mehr.

Hab nun ach ... (Foto: Achim Manthey)

Da bleibt dann - das dritte Bild - nichts als die Erotik. Mit Inbrunst packt die Barbusige mit der einen Hand den Zeigefinger des Mannes, mit der anderen den Schwanz der Schlange. Über alledem schwebt der Apfel - ein überdeutlicher Hinweis auf die Vertreibung aus dem Paradies, die in ein anderes führte. Sex heals. Kein Wunder, dass die über allem schwebende Raumkapsel auch nicht ohne Riss davongekommen ist.

Es ist ein witziges, anregendes, aufregendes, auch verstörendes Kunstwerk, das da zu Unrecht weitgehend unbeachtet steht.

U3/U6, Haltestelle Giselastraße, jederzeit ansehbar.

Veröffentlicht am: 30.05.2013

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