"Elektras Krieg" von Nino Haratischwili an der Schauburg
Peer Boysen stilisiert das Stück zu Tode
Im Pantheon sind noch Plätze frei. Corinna Beilharz, Regina Speiseder, Julia Meier, Wanja Belaga, Leonard Hohm, Lucca Züchner, Thorsten Krohn. Foto: DigiPott
Vielleicht war ja alles ganz anders? Agamemnon wurde nicht von seiner Frau erschlagen, sondern beging Selbstmord? Sohn Orest will als Kriegsheimkehrer nichts mehr vom Morden wissen? Tochter Elektra nährt als Wohnzimmer-Terroristin ihre Rachelust aus falschen Vorstellungen? Die Autorin Nino Haratischwili verrückt in ihrer Antiken-Version „Elektras Krieg“ alle bekannten Perspektiven und blickt auf jede Position von zwei Seiten. Ein spannendes Stück - leider nicht das richtige für Peer Boysen (Regie und Ausstattung), der es blutleer abstrahiert in der Schauburg für Jugendliche ab 14 Jahren inszenierte.
Nino Haratischwili (30) lebt in Hamburg, sie hat als Kind in Georgien Krieg erlebt. Und packt viel Grundsätzliches in ihren Text. Wenn das nicht halbwegs realistische Figuren aus Fleisch und Blut spielen, bleiben sie Thesenträger. Genau das passiert hier. Mit einem für diesen sonst so bildkräftigen Regisseur ungewohnten Minimalismus stilisiert Boysen das Stück zu Tode. Alle Darsteller tragen Schwarz und wechseln ihre Standorte auf den Stufen eines Amphitheaters. Auf dem Flügel in der Mitte sitzt depressiv Tochter Thea (Regina Speiseder) und schminkt sich unablässig. Sie wischt alles immer wieder ab und erneuert es. Jung sein und Spaß haben wolle sie, entgegnet sie dem Hass ihrer radikalen Schwester.
Julia Meiers Elektra schreit mit Che-Guevara-Baskenmütze blindwütig ihre Revoluzzer-Phrasen herum. Dass sie keine Ahnung von Kriegs-Realität hat, erzählt ihr das Kriegsopfer Polyxena aus Troja. Dort hat sie den Feind Orest gepflegt, der das nun für Liebe hält. Er ertränkt sein Trauma in Schnaps, was Leonard Hohm nicht ausspielt. Das unbewegte Kopftuchmädchen Polyxena (Lucca Züchner) hat bessere Rache-Gründe als Elektra. Aber dass sie dann eine Bombe gebaut hat, bedient nur wieder ein böses Klischee. Klischee bleibt auch die müde Mutter-Diva Klytaimnestra (Corinna Beilharz), lebendiger rechtfertigt Thorsten Krohn den Waffenhändler Aigisthos. Dazu klimpert Pianist Wanja Belaga ziemlich Überflüssiges.
Das Stück lässt nachdenken über die Folgen aller Kriege, ob auf dem Balkan, in Palästina oder Afghanistan. Aber die Aufführung reduziert es auf papierenes Thesentheater.
Schauburg, 16., 17. Oktober 2013, 10.30 Uhr; 15., 16. Oktober 2013, 19.30 Uhr, Telefon 233 371 55