Gastrokritik zum Bratar: In der Hauptstadt der ehrlichen Nachhaltigkeit
Im immer noch recht neuen Zentralen Omnibusbahnhof an der Hackerbrücke, von dem aus man zu Orten wie Nis, Brcko, Rijeka oder Bratar fahren kann... Stop, halt! Letzteres ist keine Balkanmetropole, sondern möglicherweise die Zukunft des Fastfood. Das Bratar im ZOB will Burger und Bratwurst aus den Zwängen der Systemgastronomie und aus den Fängen der Lebensmittelindustrie befreien – was für ein ehrenwertes Anliegen! Aber geht das überhaupt?
Wir nehmen Platz auf massivsten Holzhockern vor einem Design-Schmuckstück von einem Tisch mit nettem Flüsschen in seiner Mitte (aber Obacht, auch Handys können ertrinken) und staunen, dass man sich im Auge eines Design-Orkans und mit Teelichtern in Marmeladegläschen so wohlfühlen kann (wenn auch die Hocker bei längerem Sitzen anstrengend werden und man eine Garderobe vergeblich sucht). Die Bratar-Selbstdarstellung strapaziert Begriffe wie Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit, Verantwortung etc. pp. - teilweise ist die Abenteuer-Öko-Welt so kernig, dass man sich vorkommt wie in einer Jack-Wolfskin-Werbung. Aber gut, wer Eier legen will muss auch gackern. Oder war es umgekehrt?
Der auf liebenswerte Art extrem bemühte Kellner erklärt sogleich, dass wir uns in der Feierabend-Aktion befinden, einer Art Happy Hour (Mi-Fr 18.30 bis 20.30 Uhr), in der Burger oder Wurst mit Beilage plus Bier 6.99 Euro kosten. Dann bricht ein kleines Chaos aus, weil sich herausstellt, dass alle (!) Bratwürste außer der weißen aus sind - dabei hatten wir uns aufs Testen von Rothirsch, Lamm oder der Trüffelvariante gefreut. Der Chef persönlich kommt sofort aus der Küche: Sorry, der Lieferant, die Herrmannsdorfer... Das Bier geht auf's Haus – alles okay, Mann.
Aber bitteschön, wenn wir dann wirklich drei Mal um einen Salat zur Wurst bitten, wie kann dann doch ein Kartoffelsalat kommen (auch wenn er noch so lecker ist)? Das Brät ist jedenfalls leicht angebräunt, sehr fein und mild, angenehm unfettig. Und wir steigen ein in die Senf-Theke, die hier zu einer buchstäblich selbstgemachten Wissenschaft aus exzellenten Zutaten wird. Wir greifen heraus die Sorten: Feige – sehr eigen, ein Gewürzrätsel. Lösung Kardamom? Balsamico-Mango – süß-parfümiert, prickelt wie Brause. Apfel-Meerrettich – am klarsten, natürlichsten.
Nun also: Burger (die Veggie-Variante ist auch aus....) - und man möchte jubeln: So stellt man sich eine frische, gute Bratsemmel-Mahlzeit vor. Eine ganz klare Rezeptur (Tomate, Gurke, Paprika, Salat), ein mildes Dressing für den Salat, das dessen Zutaten zur Geltung bringt, Pommes mit Salz und Paprika an der oberen Grenze, aber sehr natürlich, kross und doch weich. Erwähnenswert ist auch die kleine Beilage aus Kraut und Möhren mit Sahne und Öl – cremig und fruchtig.
Fazit: Das ist wunderbares, hochwertiges Essen, das in seiner Einfachheit die selbstgesteckten Ansprüche locker erfüllt. Außerdem finden wir es total süß, dass hier – wie zu sehen war - in der Küche auch mal geknutscht wird. Da wird also tatsächlich mit Liebe gekocht. Nur eine Bitte: Desserts müssen noch auf die Karte, gerne auch im Öko-Abenteuer-Design. Dann setzen wir uns sofort in den nächsten Balkanbus nach Bratar.
Hackerbrücke 4 (im ZOB) Mo – Do 10 bis 22, Fr – Sa 10 bis 6 Uhr, Telefon 55077777, Infos im Web unter www.bratar.de