Abschlussperformance des Butohworkshops Stefan Marria Marb in der Tanztendenz
Das Leben will heraus
Mit „Metamorphose“ präsentierte der Tänzer und Choreograf Stefan Marria Marb das erste Mal seit seinem Auszug aus der whiteBOX in der Kultfabrik seine diesjährige Abschlussarbeit mit fortgeschrittenen Butohschülern im Studio A der Tanztendenz an der Lindwurmstraße. Eine wiederum ganz andere Arbeit - aufregend und doch sanft, stiller und weicher als viele seiner Performances in der whiteBOX. Und geheimnisvoll allemal.
Räume speichern die Energien, die Emotionen derer, die in ihnen ihrer Aufgabe willkürlich nachgehen. Konzentration, Versenkung, Gebet, Tanz – Anrufung. Kunsträume vergrößern, lassen nichts unbemerkt geschehen, heben das Einfache, Elementare und lassen die Pose und das Pathos gern stürzen.
Stefan Marria Marb ist untrüglich sicher im Raumverstehen. Er hat die notwendige Durchlässigkeit dafür. Seine Tänzer betreten scheinbar sachlich das Studio. Doch selbst das will gelernt sein, zu gehen, ohne Gehen darzustellen. Niemandem zu zeigen: sieh her, ich gehe. Wie selbstverständlich sinken die Figuren dann um, rollen sich ein wie die Schlange des Fakirs nach dem letzten Flötenton. Hier am Boden beginnt das Leben, die Metamorphose. In den Eihüllen, im Laich, in den Dottern springt das Leben, schlägt aus, will heraus. Lurche, Quappen, die Beine zu einem Schwanz zusammengewachsen.
Jedes für sich, alle sind da und keiner weiß von dem anderen. Keine Unterscheidung, es tut nur. Und es tut still. Es summt nur. Kein stoßender Atem wie man ihn sonst kennt von diesem Moment des Aufbruchs. Nur das Rieseln von Sand und kleinen Muscheln und ein ferner Chor. Alsbald bekommen die Quappen Beine, durchschlagen die Häute, torkeln und bocken.
Versammeln sich wieder ganz ruhig an der Wand. Bilden sich an ihr ab, fast als wären die Körper nun Hieroglyphen, Runen, Schnüre, die einen Text dort durchlaufen würden. Codes, DNS-Spiralen, Lebenszeichen. Dann dreht sich der Körpersatz von der Wand wieder ab und floated unmerklich wie auf einem Schieber in den Raum hinein. Rechts malt eine Frau auf eine Leinwand. Sie scheint nur zu ahnen. Das Leben ist nur spürbar. Es summt in jedes Ohren allein. Und obwohl es sich auch eruptiv entfaltet, scheint niemand zu wissen, wo es ist und wohin es geht. Außer kurz vor Schluss, da wird vorwitzig der Vorhang vor dem großen Spiegel zurückgezogen.
Und dieser Spiegel saugt. Wie ein schwarzer Spiegel der Zeit saugt er das Leben fort. „Let me freeze to death again“, singt Klaus Nomi und die Malerin mit der weißen fragenden Maske des Todes steigt durch ein Feld der Liegenden. Die Maske fragt: Wer erzählt diese Geschichte?