Horst Haitzinger feiert Geburtstag
Zauberer des Zuspitzens und unermüdlicher Karikaturist
Am 19. Juni wurde Horst Haitzinger 75 Jahre alt. „Sie sind zweifellos einer der unermüdlichsten Karikaturisten Deutschlands“, gratulierte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Haitzinger kommentiere das Zeitgeschehen schon so lange, dass man sich viele Publikationsorgane ohne seine Zeichnungen gar nicht mehr vorstellen könne. Unser Autor Karl Stankiewitz erinnert sich an seine Zeit dem Geburtstagskind.
Als ich den 42-Jährigen im Dezember 1980 zum ersten Mal in seiner kleinen Wohnung beim Olympiapark besuchte, arbeitete er gerade an einer Weihnachtskarikatur: Ein mit einem Kriegs-spielzeug beschenkter Knabe sollte auf seinen an den Christbaum gefesselten Hund zielen. Und als Neujahrsgruß plante er einen Pleitegeier auf einem Fernrohr, das den schwarzen Einser des neuen Jahres bilden sollte. Schlechte Zeiten in Sicht?
Dabei ging es dem Horst Haitzinger selber ausgesprochen gut. So gut wie seiner ganzen Zunft, den deutschen Karikaturisten und Cartoonisten. Sie erlebten einen ausgesprochenen Boom, fast schon wie in der Blütezeit des alten Simplicissimus. „Die Bundesrepublik hat zur Zeit das größte Reservoir von wirklich hervorragenden Zeichnern“, stellte der Lektor eines einschlägigen Münchner Verlages fest.
Einen Fernsehapparat besaß Haitzinger damals noch nicht. Auf elektronische Informationen hatte er – noch bis 2004 – ganz bewusst verzichtet, um sich nicht „von Bildern überfallen zu lassen“. Die Tageszeitungen und das tägliche Telefongespräch mit Redakteuren, vor allem von der „tz“, waren seine aktuellen Inspirationsquellen – und seine regelmäßigen Abnehmer. Seine auf Papier gezeichneten Produkte schickte er per Telefax in die Pressehäuser, so modern war er damals doch. Und so arbeitet er nach wie vor, tagtäglich.
Die Kunst der spitzen Feder, die er nun schon so lange meisterhaft beherrscht, erklärte er mir ganz simpel, wie es seiner wortkargen, manchmal brummigen Art entspricht: „Die Leut’ mögen lieber ein Buidl als viele Zeilen.“ Über 14.000 solch vielsagender „Buidl“ hat er bis heute gezeichnet, seit er 1958 erstmals Furore gemacht hatte: Sein im „Simpl“ erschienener Amor zielte mit der H-Bombe. Haitzinger ist ein Zauberer des Zuspitzens. Zeitungslesern lehrt er eher das Fürchten als das Lachen.
Wie etliche seiner Kollegen (Flora, Gottscheber, Ironimus) stammt auch er aus Österreich. In Linz hatte sich der 1939 geborene Sohn eines Gendarmen zum Gebrauchs- und Werbegrafiker ausbilden lassen, dann folgten zwölf Semester an der Kunstakademie in München. So kehrte der „Satiriker der Zeichenfeder“ (Landsmann Hans Weigel) denn auch immer wieder zurück zur „eigentlichen“ Kunst.
Seine zehn Bücher und viele Ausstellungen offenbarten einen Exponenten des phantastischen Realismus, seine Themen weisen ihn als engagierten Friedensfreund und Naturschützer aus. Natürlich findet ein politische Zeichner nicht jeden Tag „die große Weltschau“. An solchen Tagen erlaubt er sich schon mal ein lustigeres Motiv, „wo man sich umso schöner in Blödelei auslassen kann“.
Dabei ist der mit dem Tuschpinsel fechtende Journalist ein Berufspessimist. Seinen Ruf als Schwarzseher oder Allzuschwarzzeichner teilt er mit vielen Größen des scharfen Strichs. Längst hat er sich an Beschwerden von „aufgespießten“ Personen und Institutionen ebenso gewöhnt wie an die Dickfelligkeit der meisten Politiker gegenüber der Satire. Da sieht sich der Zeichner in einer ähnlichen Situation wie das politische Kabarett, mit einem kleinen Unterschied: „Die können von einem Programm oft monatelang leben, ich aber muss jeden Tag ein Miniprogramm machen.“