"Die im Dunkeln sieht man nicht" - München-Krimi von Andreas Götz

Ermittlungen zwischen Schwarzmarkt und Führerbau

von Katrin Kaiser

Andreas Götz hat einen lesenswerten München-Krimi geschrieben, der in der Nachkriegszeit spielt. "Die im Dunkeln sieht man nicht" ist der Auftakt zu einer dreiteiligen Reihe.

Ein Vielschreiber: Andreas Götz / Foto: Stefan Gelberg

Geschrieben hat Andreas Götz schon, seit er denken kann. "Als kleines Kind, als ich noch nicht schreiben konnte, habe ich die leeren Seiten in den Schulheften meiner älteren Geschwister mit meiner Fantasieschrift gefüllt", sagt er und lacht. Als Schulkind verlegte er sich aufs Nacherzählen von Geschichten, die er gelesen hatte. Während seines Studiums schrieb er unter Pseudonym Trivialliteratur, um Geld zu verdienen. Er hat Hörspiele geschrieben, Romane zu Filmen und zwei Jugendkrimis. Und nun einen Kriminalroman für Erwachsene.

"Die im Dunkeln sieht man nicht" spielt im München der Nachkriegszeit. Der Protagonist Karl Wieners ist "ehemals Schriftsteller, ehemals Familienvater, ehemals Berliner". Er ist in München geboren und aufgewachsen, hat mit Frau und zwei Kindern in Berlin als Schriftsteller gelebt – und im Krieg alles verloren. Voller Schwermut kehrt er 1950 zurück nach München in die Welt seiner Eltern, Geschwister und Schulfreunde. Auch in seiner Herkunftsfamilie sind etliche nicht mehr am Leben. Doch da ist Magda, seine lebenshungrige Nichte, die sich in den Kopf gesetzt hat, ihn ins Leben zurückzuholen. Und da ist ein alter Schulfreund, der eine Zeitschrift gegründet hat und ihn mit einer Reportage zum Kunstraub aus dem Führerbau im April 1949 betraut. Und ein anderer Schulfreund, der bei der Polizei arbeitet. So wird Karl zunächst wider Willen zum Ermittler.

Die sozial-emotionale Kriegsversehrtheit spielt eine große Rolle in Götz' Roman. Materiell geht es den Menschen im Jahr 1950 langsam besser, doch die Wunden von Weltkrieg und Nationalsozialismus klaffen noch.

Der Schwarzmarkt und die amerikanischen Besatzer sind sehr präsent in der Stadt, genau wie an vielen Stellen die alten Ideen der Nationalsozialisten. Gleichzeitig ist es eine Zeit des Aufbruchs und der Neuorientierung.

Genau diese Mischung hat Andreas Götz gereizt. "Jeder Gesellschaftsroman, der in den 1950ern spielt, ist per se eine Art Kriminalroman", findet er. "Da ist dieses große Verbrechen, das einige Jahre zurückliegt, und jeder hat irgendwie damit zu tun." Gereizt habe ihn die Erkenntnis, dass die 1950er bei weitem nicht so langweilig gewesen seien wie ihr Image. Schockiert habe ihn, wie viel Kontinuität im Gedankengut es gab. In der Münchner Stadtchronik des Jahres 1950 stoße man beispielsweise auf permanentes Geschimpfe gegen Ausländer und Juden.

Man merkt, wie sehr ihn die historische Recherche für "Die im Dunkeln sieht man nicht" begeistert hat. Das Buch ist bislang sein erster Roman, der in einer vergangenen Epoche angesiedelt ist. Er schreibt jetzt bereits an der Fortsetzung, die von Spionage und Antikommunismus im Jahr 1955 handelt. Ein dritter Roman, der 1958 spielt, soll die Karl-Wieners-Reihe abschließen.

Zwischen Kriegsversehrtheit und Neubeginn spielt Andreas Götz' Krimi / Abbildung S. Fischer Verlag
Andreas Götz ist definitiv ein Vielschreiber. Und er liebt es, sich beim Schreiben immer wieder neues Terrain zu erobern. Gleichzeitig zur München-Krimi-Trilogie hat er mit seiner Kollegin Lisa-Marie Dickreiter eine neue Kinderbuchreihe ins Leben gerufen: "Berti und seine Brüder". Der erste Band ist gerade erschienen. "Besonders war für mich bei diesem Buch, dass wir wirklich gemeinsam geschrieben, also jeden Satz zusammen formuliert haben."

Auch wenn er beim Schreiben kaum ein Risiko scheut, freut er sich jetzt auf die Kontinuität in der Arbeit an den beiden völlig verschiedenen Projekten. Für „Die im Dunkeln sieht man nicht“ ist er noch komplett in Vorleistung gegangen und hat den ganzen Roman fertig geschrieben, bevor er ihn verschiedenen Verlagen angeboten hat. Ein Wagnis, das sich gelohnt hat!

Andreas Götz: Die im Dunkeln sieht man nicht, S. Fischer Verlag, 448 Seiten, 16,99 € (E-Book 4,99 €)

Lesung am Dienstag, 29. Oktober 2019, 20:15 Uhr im Hugendubel am Stachus, Karten über Eventbrite

 

Veröffentlicht am: 23.09.2019

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