Karl Stankiewitz zum Tod des Buchhändlers Eugen Hillenbrand
Bücherwurm vom Rindermarkt
Fast jeder Münchner, der mit Stadtgeschichte und Literatur zu tun hat, kannte den kantigen Mann im immer blauen Kittel, der seit 1983 im Ruffinihaus am Rindermarkt ein „Modernes Antiquariat“ der anderen Art betrieben hatte, sowie zwischenzeitlich stadtweit 14 Geschäfte mit dem Label „Bücher Schnäppchen Paradies“. Er war ein kleiner Hugendubel, bei dem er einst angefangen hatte.
Alle Winkel seines kleinen Ladens hatte Eugen Hillenbrand bis zur Decke hinauf vollgestopft mit alten bis uralten Büchern, mit riesigen Folianten, vergilbten Bildbänden, gebündelten Akten, sortierten Fotos, historischen Drucken und Landkarten. Bei gutem Wetter lagerte er seine Schätze auch draußen vor dem Schaufenster, windgeschützt, soweit möglich nach buchhändlerischen Sparten oder aktuellen Themen geordnet.
München, die ganze Stadt - ihr Gesicht und ihre Geschichte -, das war durch all die Jahre hin Thema Nr.1. Während des Ruffini-Umbaus hatte die Stadt den Laden, der ihr gehörte, an den Jakobsplatz umquartiert, passend neben das Stadtmuseum. Dort brauchte der alte Herr mit der gepflegten Prinz-Eisenherz-Frisur nun schon Gehilfen. Auf die vier Meter hohe Leiter kletterte er, um einen gewünschten Titel herunter zu angeln, schon länger nicht mehr.
Für mich blieb Eugen Hillenbrand aber immer „der Bücherwurm“, wenngleich er über diesen grüßenden Vergleich mit dem populären Wilhelm-Busch-Gemälde säuerlich grinste. Ihm verdankte ich einiges Quellenmaterial für meine München- und Bayern-Bücher und für Zeitungsartikel. Deshalb hatte ich ihm meine eigene Bibliothek testamentarisch vermacht. Die wird nun an seinen Nachfolger Thomas Voglgsang übergehen, der in München mehrere Buchhandlungen unter dem Logo „Buch und Töne“ in seinem Geist betreut.
Am Dreikönigstag 2022 noch hatten der alte und der junge Buchhändler gemeinsam die wunderschöne Klosterkirche von Hohenschäftlarn besucht. „Er liebte Klöster“, erzählt Voglgsang. „Religiöses hat ihn zeitlebens fasziniert.“ Hillenbrand stammte aus einer gutkatholischen Familie, wurde am 3. März 1939 im hessischen Hünfeld geboren und nach Eugen Pacelli getauft, der am Tag zuvor Papst Pius XII. geworden war.
Nach dem besinnlichen Kirchenbesuch führte Thomas seinen väterlichen Freund Eugen noch in die Klosterwirtschaft. Man trank Wein, ratschte ein bisschen, zum Beispiel über Karl Valentin, den beide verehrten. Und der 82-Jährige Kauz meinte: „Thomas, hoffentlich wird dies Jahr net so schlecht wie’s schon is.“ Sieben Stunden später starb Eugen Hillenbrand einen friedlichen Tod.