Schleichts euch, spielende Wellen: Thomas Hengelbrock liegt beim BR-Konzert Mendelssohn mehr als Bach
Man muss wohl nicht gleich mit einer roten Karte der Bach-Freunde rechnen, wenn man einigen der weltlichen Kantaten des Barockmeisters aus Sachsen den Ewigkeitswert abstreitet. „Schleicht, spielende Wellen“ (BWV 206) enthält je eine Arie für Bass, Tenor, Alt und Sopran. Solides Handwerk, solistisch begleitet, was dazu führte, dass der Gast am Pult, bekannt für eine historisch orientierte Aufführungspraxis, zumeist nur zuhörte.
Zumindest im ersten Teil des Konzerts im Herkulessaal hatte Thomas Hengelbrock einen ruhigen Abend. Nur gelegentlich, wenn das musikalische Geschehen durchzuhängen drohte, weckte er die Akteure mit energischen Gesten. Im Sommer gibt er sein Bayreuth-Debüt mit dem „Tannhäuser“. Man darf gespannt sein.
Weitaus besser gelang nach der Pause Mendelssohns Chorkantate „Die erste Walpurgisnacht“. Da werden Orgien und Teufelsspuk überaus drastisch dargestellt („Kommt mit Zacken und mit Gabeln, und mit Glut und Klapperstöcken!“), ein herrlich aufmüpfiges Werk voller theatralischer Dramatik. Thomas Hengelbrock dirigierte auswendig und legte sich mächtig ins Zeug. Er konnte sich allerdings auch auf fabelhafte Mitstreiter verlassen: Dorothee Mields (Sopran), Elisabeth Kulman (Mezzo), Steve Davislim (Tenor), James Rutherford (Bariton) und der grandiose BR-Chor – sie alle sorgten für jene Hochspannung, die zuvor bei Bach schmerzhaft vermisst wurde.