Das Gärtnerplatztheater mit "Peter Grimes" von Benjamin Britten im Prinze

Auf schwierigem Terrain irgendwie doch nicht gescheitert

von Volker Boser

István Kovács (Swallow), Stefan Thomas (Reverend Horace Adams) Enrico Sartori (Dr. Crabbe), Edith Haller (Ellen Orford), Gerhard Siegel (Peter Grimes), Chor. Foto: Tomas Dashuber

Ein Schelm, wer unterstellt, dass sich das Gärtnerplatztheater vorsätzlich zur Aufgabe gemacht hat, trübe Herbsttage zusätzlich zu verdunkeln. Schließlich ist die von Benjamin Britten in teils wilde und ekstatische Musik gesetzte Geschichte des Fischers Peter Grimes nicht gerade eine Story zum Wohlfühlen. Auch wenn am Ende so mancher Premierenbesucher im Prinzregententheater eher ratlos als emotional aufgerüttelt zurückgelassen wird.

Ein Außenseiter, der ihm anvertraute Jugendliche quält, ihnen allzu nahe kommt und sich, als die Situation für ihn immer auswegloser wird, ohne Widerstand dem Misstrauen einen starren Dorfgemeinschaft beugt – da ist Überzeugungsarbeit vonnöten: Ist Peter Grimes nun wirklich Täter oder nur das zufällige Opfer einer kollektiven Ausgrenzung? Im Prinzregententheater bleibt diese Frage unbeantwortet. Denn der Regisseur Balázs Kovalik schien es vor allem darauf angelegt zu haben, den Bühnenraum effektvoll zu füllen.

Man sieht einen modernen Frachthafen. Kranarme an den Seiten lassen sich hoch und herunter fahren. Ein riesiges Plastiksegel symbolisiert das Meer. Ein blauer Container dient je nach Bedarf als Kirchenraum oder als Kneipe. Lichtspiele – grün und lila – bestärken das Irreale dieser Szenerie. Hier lassen sich nur schwer menschliche Gefühle orten.

Ein Einzelgänger gegen den Rest der Welt – die starre, unbeugsame Haltung der Dorfgemeinschaft, die den Fischer Peter Grimes in den Selbstmord treibt, verdeutlicht die Regie szenisch dadurch, dass sich der Chor zumeist steif und bewegungsarm als eine uniforme, verschworene Clique präsentiert. Während der Komponist eindrucksvoll für Grimes Partei ergreift, hält sich die Inszenierung bedeckt. Für Britten war Grimes weder ein Sadist noch rücksichtslos, allenfalls einer, der sich den konventionellen Normen widersetzt. Regisseur Balázs Kovalik lässt durchaus andere Schlüsse zu.

Ein Eindruck, der auch dadurch entsteht, dass der Bayreuth-erfahrene Gerhard Siegel in der Titelpartie kaum darstellerische Zwischentöne riskiert. Stimmlich souverän, bleibt er im Spiel nahezu alles schuldig. Damit ist er nicht allein. Auch Edith Haller (Ellen) und Ashley Holland (Balstrode), die beiden einzigen positiv gezeichneten Akteure in dieser Oper, agieren auf Sparflamme.

Womöglich glaubte das Regie-Team, dass es genügt, wenn sich die Musik um eine Charakterisierung bemüht. Doch so engagiert das Gärtnerplatzorchester auch aufspielt - Dirigent Marco Comin versäumt es, klanglich zu differenzieren, die impressionistischen Momente herauszufinden, kurz: Atmosphäre herzustellen. Zu oft passt sich die Brillanz aus dem Orchestergraben den Schwarz-Weiß-Effekten der Regie an.

Der riesige Beifall des Premierenpublikums schien vor allem zu signalisieren, wie sehr man goutiert, dass sich das Gärtnerplatztheater unter dem quirligen Intendanten Josef E. Köpplinger - nach Verdis „Aida“ – erneut und ohne Scheu auf schwieriges Terrain begibt. Und an dieser Aufgabe keineswegs scheitert, auch wenn man da und dort anderer Meinung sein darf.

Wieder am 27., 29., 31.10. und 2.11. 2014, Karten unter Telefon 2185 1960.

Veröffentlicht am: 22.10.2014

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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