Interview mit Brigitte Hausmann, der neuen Leiterin der Kunstakademie Reichenhall

"Ich war selbst überrascht, wie gerne die Künstler hier her kommen"

von Christa Sigg

Brigitte Hausmann. Foto: Kunstakademie Reichenhall

Reichenhall, das steht für Salz, Kuren und diese postkartentaugliche Voralpenbeschaulichkeit. Man fragt sich schon, wie es eine bestens vernetzte Kunstmanagerin aus dem dauerbewegten Berlin in den eher beschaulichen Badeort verschlagen kann. Brigitte Hausmann lächelt nur. Wer sie in der behutsam renovierten Alten Saline besucht, spürt schnell, dass sie ihr Terrain gefunden hat und Außergewöhnliches entwickeln kann. Die Kunstakademie gibt es dort zwar schon seit fast 20 Jahren, mit der neuen Leiterin gelingt aber nun die Verbindung zur aktuellen Top-Kunstszene. Das Besondere: Jeder kann hier studieren – und von den Erfolgreichen lernen.

 

Die Kunsthistorikerin Hausmann stammt aus Regensburg und hat vor ihrer Zeit in Reichenhall in Ulm und Berlin gearbeitet.

Frau Hausmann, Ihre Dozentenliste liest sich wie ein Who’s Who der Ausstellungsszene. Wollen Sie den großen Kunstakademien Konkurrenz machen?

Brigitte Hausmann: Bei uns lehren tatsächlich namhafte Künstlerinnen und Künstler – und das in allen Gattungen. Etliche unterrichten sogar exklusiv bei uns. Für die Studierenden eröffnen sich damit einzigartige Gelegenheiten. Denken Sie an Rosa Loy, eine Hauptvertreterin der Leipziger Schule, oder Rui Chafes, der schon in jungen Jahren sein Land Portugal auf der Biennale in Venedig vertreten hat. Den Münchnern ist er auch durch seine Galeristin Karin Sachs präsent. Oder die in New York lebende Fotokünstlerin Sonja Braas, die mit der Galerie Tanit zusammen arbeitet. Heribert C. Ottersbach, der 2008 eine Einzelausstellung in der Villa Stuck hatte, wird übrigens ab diesem Jahr einen Studiengang in Malerei durchführen.

Ihre künstlerischen Ansprüche sind ziemlich hoch.

Wir legen aber genauso großen Wert darauf, dass die Dozenten Lehrerfahrung haben und mit Menschen umgehen können. Wir wollen ein Gespür für Qualität vermitteln, und das kann man nur mit Künstlern, die ein bedeutendes Werk schaffen, bzw. diese Qualität in ihrem Werk verkörpern. Unsere Studierenden sind sehr ambitioniert und anspruchsvoll, sie wollen sich künstlerisch entwickeln.

Was kommen denn für Leute?

Das Hauptgebäude der Kunstakademie aus dem 19. Jahrhundert. Foto: Kunstakademie Reichenhall

90 Prozent sind weiblich, und eigentlich sind alle Berufsgruppen vertreten: viele Juristen, Ärztinnen, Lehrerinnen, Psychologinnen, Sekretärinnen, Vertreter aus Architektur und Design sowie Kunst, Managerinnen, Hausfrauen, Coaches, PR-Leute, Geschäftsfrauen…. Aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber natürlich viele aus dem Süden und besonders aus dem Münchner Raum. Wir haben etwa 2000 Gäste jährlich, trotzdem sind die Kurse mit maximal zwölf Teilnehmern sehr überschaubar, so dass eine individuelle Betreuung garantiert ist.

Und wie alt sind die Studenten?

Wir haben Studierende von Mitte 20 bis Mitte 80, doch die Mehrheit zählt zur Generation 50 plus, also zu den Best Agern.

Erfüllen sich manche den Traum vom Kunststudium, das in jungen Jahren tabu war?

Viele sogar, ich bin manchmal richtig baff, wenn die Leute von sich erzählen. An der normalen Akademie bewirbt man sich mit einer Mappe. Bei uns reicht man für die Studiengänge und Meisterkurse Mappen ein. Die regulären Akademiekurse sind für jeden offen. Darauf lege ich Wert, wir wollen niemanden von der Kunst fern halten oder entmutigen.

Wie ist das künstlerische Niveau?

Blutige Anfänger sind eher selten. Viele haben schon Kurse besucht und kennen verschiedene Techniken. Die meisten wollen einen eigenen Stil entwickeln, souverän mit Komposition, Farbe etc. umgehen.

Bekommt man am Ende ein Zertifikat?

Atelies in der Saline: "Hier hat der Schaffensdrang nicht einmal nächtliche Grenzen." Foto: Kunstakademie Reichenhall

Ja, mit Unterschrift des Dozenten. Für einige ist das gar nicht unwichtig, vor allem wenn sie ausstellen und auf dem Kunstmarkt Fuß fassen wollen. Wir haben sogar eine eigene Galerie, und wenn wir der Meinung sind, ein Werk ist reif genug, um der Öffentlichkeit präsentiert zu werden, dann kann das auch hier geschehen.

Sie vermitteln auch Ausstellungs-Know-How?

Ja, das reicht von der Hängung bis zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Durch Ihre frühere Kuratorentätigkeit bringen Sie die Kontakte mit, wie locken Sie die Künstler dann tatsächlich nach Reichenhall?

Unsere finanziellen Möglichkeiten sind beschränkt – falls Sie darauf anspielen. Nein, im Ernst, ich war selbst überrascht, wie gerne die Künstler hier her kommen. Die Akademie mit ihren Ateliers liegt schon sehr schön in der Alten Saline, also einem wunderbar renovierten Industriedenkmal. Hier ist Campus-Atmosphäre entstanden. Viele Künstler leben in Großstädten, sie schätzen es, hier im Voralpenland in traumhafter Umgebung mit äußerst interessierten Studenten zusammen zu arbeiten. Da treffen oft interessante Biografien aufeinander.

Was kosten denn die Kurse?

Für eine Woche muss man zwischen 300 und 800 Euro rechnen. Dafür arbeitet man in sehr gut ausgestatteten großzügigen Ateliers, die rund um die Uhr genutzt werden können. Dem Schaffensdrang sind also nicht einmal nächtliche Grenzen gesetzt. Wir sind eine öffentliche, städtische Einrichtung und möchten, dass möglichst viele Menschen zu uns kommen können. Deshalb bieten wir auch Stipendien an.

Dürfen die Künstler zum Ausgleich kuren?

Das haben wir noch nicht ausprobiert, aber Kunst schaffen ist ziemlich anstrengend, auch der Unterricht. Vielleicht sollten wir das ins Auge fassen und ein neues Paket entwickeln.

Information auf www.kunstakademie-reichenhall.de oder über Telefon 08651/3713

Veröffentlicht am: 21.02.2015

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