"Arabien im Fokus" in der Muffathalle

Sie können auch anders

von Isabel Winklbauer

Keine Scheu vor Lebensfreude: die Compagnie du Soi. Foto: Agathe Poupeney

Vier Araber und eine leere Bühne, kann das gut gehen? Es kann, und wie. Der tunesische Choreograf Radhouane El Meddeb eröffnete mit seinem Stück "Au Temps où les Arabes dansaient" die Reihe "Arabien im Fokus" in der Muffathalle, die in Kooperation mit dem Dance-Festival und Accesstodance entstand - und rettete damit schon mal das Münchner Tanzjahr. Selten gaben tanzende Männer solchen Anlass zur Begeisterung.

Sie stehen in einer Reihe und wiegen die Hüften, unaufhörlich. Mal bewegen sich El Meddebs Tänzer auf das Publikum zu, mal weichen sie zurück, mal schweben sie in alle Richtungen. Dass ein so einfaches, choreografisches Prinzip aufgeht, ist sicher auch den grandiosen Lichtspielen von Xavier Lazarini zu verdanken, der die Silhouetten der Protagonisten von hinten mit Goldkränzen umrahmt, die Gesichter dann aber langsam aus dem Dunkel dramatisch heraus modelliert. Wesen und Kern des Stücks sind aber die vier Männer, die eine Art von Tanz verkörpern, von der die Welt eigentlich nichts weiß: den arabischen Tanz der 40er und 50er Jahre. El Meddeb erinnert sich in "Au Temps où les Arabes dansaient" an das arabische Kino der Nachkriegszeit, in dem die Bauchtänzerinnen noch lachten wie Esther Williams und die Männer in Cary-Grant-Anzügen lächelnd Schultern und Hüften mitschwangen. Ausgelassenheit und Lebenslust prägen diese Ära; die Verbissenheit und Humorlosigkeit, die heute vielerorten die Kultur Arabiens prägen, sind noch lange nicht in Sicht.

Arabien im Fokus - noch bis 31. März in der Muffathalle. Bild: Muffatwerk

Mit derselben Leichtigkeit ziehen also die vier Tänzer das Publikum in den Bann. Mit ihren wiegenden Hüften schlängeln sie nach links und rechts, zeigen gebeugte Rückenwellen oder bezaubern mit Ports-de-bras aus dem Bauchtanz, die man heute nur noch von Frauen kennt. Es sind Männer, die sie erfunden haben und hier in Perfektion ausführen! Hier gibt es keine Angst vor nackter Haut oder vor zu viel Ausdruck. Die Gesichter zeigen Freude und Entrücktheit, der eine oder andere zeigt auch mal übertrieben geziertes Handflattern. Oder es stehen zwei Männer mit zuckenden Hüften hintereinander. Na und, es ist Tanz, sonst nichts! Die Stimmung gleitet nie ins Zweideutige ab, und darin liegt El Meddebs große Kunst: Er entblättert den arabischen Tanz von Kitsch und Keuschheitsfanatismus, so dass seine höchste Qualität sichtbar wird, die Bereitschaft zu Entzücken und Hingabe als Kunst. Araber können auch anders, sie werden nicht mit Bärten und Maschinengewehren geboren, sondern auch als Tänzer. Es ist ein riesiger Verdienst von El Meddeb, daran zu erinnern.

Was die Compagnie du Soi in der Muffathalle zeigte, ist die Revolution, die im Nahen Osten eigentlich stattfinden müsste. Fürs erste war sie wenigstens an der Isar zu erleben, und die Münchner dürfen sich glücklich schätzen, eine so selten großartige Vorstellung gesehen zu haben. Was sie ja auch taten - ihr Applaus für die vier Tänzer und den Choreografen zeigte Freude, Berührung und tiefen Respekt.

Die Reihe "Arabien im Fokus" geht noch bis 31. März. Das Programm gibt es unter www.dance-muenchen.de und www.muffatwerk.de.

Veröffentlicht am: 28.03.2015

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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