Junge Bühne am Resi

Pinocchio macht verliebt ins Theater!

von Isabel Winklbauer

Theaterzauber: Pinocchio lügt, die Nase wächst. Foto: Konrad Fersterer

Das Residenztheater erfreut Münchens Familien seit eingen Jahren mit herausragenden Stücken für Kinder. Nach "Pünktchen und Anton", "der "Schneekönigin" und "Odysseus" haben sich Intendant Martin Kušej und Regisseur Thomas Birkmeir Carlo Collodis "Pinocchio" vorgenommen. Die Produktion für Kinder ab sechs nimmt es zum Glück nicht zu genau mit den Buchvorlagen von Collodi und seinen Nachfolgern. Doch das Stammpersonal ist da und erfüllt im fantastischen Bühnenkarusssell alle Erwartungen.

Die Drehbühne des Residenztheaters darf endlich einmal so richtig rotieren bei der Inszenierung des italienischen Kinderklassikers, der durch die ZDF-Animeserie der 70er Jahre nicht unbedingt an Gewicht gewonnen hat. Von Gepettos Dörfchen Camorra  - situiert in einem herrlich idealisierten Italien voller Gnocchi, Amore und Dolce Vita - wechselt die Szenerie ins Theater, auf den Jahrmarkt, an schmutzige Hafenpiers, in die Tiefsee und in den Bauch eines Wals. Mit charmanten "Special Effects" werden die jungen Zuschauer und ihre erwachsenen Begleiter ins Geschehen gezogen: Die gute Fee Fantasma (Genija Rykova) schwebt auf einem Fesselballon mit wehenden roten Tüchern auf die Bühne hernieder, ein Baumstamm richtet sich auf magische Art auf und gibt Pinocchio frei, und in der Tiefsee drehen sich von innen beleuchtete, wallende Seidenschirme im bezaubernden Quallenballett. Dem geldgierigen Malgusto kommen Pinocchio und sein Begleiter Flibb durch eine "magische" Öffnung im Boden davon. Es verblüfft vor allem die Erwachsenen, welche Freude diese Dinge machen, wenn ihnen im Kino Bombastinszenierungen wie "Avatar" und "Spectre" entgegenstehen. Der Zauber des Theaters wirkt anders - es tut gut, daran erinnert zu werden.

Kater (K. Pichler) und Fuchs (J. Wilbusch) machen Pino (P. Dechamps) betrunken. Foto: Konrad Fersterer

Angeführt wird die Geschichte von der Kakerlake Flibb, die Thomas Birkmeir dem Episodendasein der literarischen Vorlage entrissen hat, um sie zum Hauptvermittler für das junge Publikum zu machen. Ein gelungener Schritt. Flibb (Gunther Eckes) verkörpert praktisch die sprechende emotionale und moralische Seite Pinocchios (Philip Dechamps) - der selbst ein wenig unnahbar bleibt. Dechamps gibt ihn einfach als Kind, unternehmungslustig und verführbar, aber genau so schnell einsichtig und zum Guten entschlossen. In dem als schmierigen Modepunk angelegten Fuchs Stronzo (Jeff Wilbusch) und dem erzdoofen, gleichzeitig abgrundlieben Kater Stupido (Katahrina Pichler) hat er allerdings Gegenspieler, die ihm kräftig die Show stehlen.

Kakerlake Flibb (G. Eckes) bringt Sargmacher Gepetto (Michael Tregor) auf Ideen. Foto: Konrad Fersterer

Pinocchios Bewegungen sind eckig und clownesk, was das Sympathiekonto nicht gerade auffüllt. Vielleicht hätte man darauf verzichten sollen, denn hier kommt der Fortschritt auf Kinoseite, dass Androiden nicht mehr ruckeln, plötzlich doch zum tragen. Zuletzt spielt das Ganze aber ja  bekanntermaßen keine Rolle mehr, da die Fee Fantasma einen echten Jungen aus dem geläuteren Holzkopf macht. Gerade solche grundlegenden Wendungen spielen sich bei Birkmeir erfirschend lapidar ab. Dass Gepetto im Bauch eines Wals steckt und gerettet werden muss - das erfahren Pino und Flibb über eine wundersam angespülte Flaschenpost. Oder die Transformation: "Seht, echte Haut. Die Fee hat mir die Eselsohren weggezaubert und einen echten Jungen aus mir gemacht." Punkt. Auf zum Dolce-Vita-Tanz!

Die Musik. Wer von der 70er-Jahre Pinocchio-Serie vor allem die grauenhaft eintönige Musik im Gedächtnis behalten hat, erfährt im Residenztheater nun endlich Linderung. Mehrere Musicalnummern lockern den Münchner "Pinocchio" auf, wobei nicht mit vielfarbigen Kostümen und Showchoreografien gespart wird. In den zwei Stunden der Vorstellung haben die Zuschauer so eigentlich kaum eine Minute, in der sie im Geiste abschweifen könnten.

"Pinocchio", Residenztheater, Regie: Thomas Birkmeir. Mit Philip Dechamps, Gunther Eckes, Michael Tregor, Genija Rykova, Jeff Wilbusch, Katharina Pichler, Götz Argus, Hannah Magnea Hauksdóttir, Marina Granchette, Helena Schneider, Kirsten Schneider, Josephine Volk, Julian Bender, Andreas Nützl, Patrick Miller Francesco Ohmayer.

Weitere Termine und Kartenbestellung unter www.residenztheater.de

Veröffentlicht am: 15.11.2015

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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