Zur Ausstellung "Nachklang" im Schlosspavillon Ismaning

Neue Blicke auf Frauen von der Callas bis zu Olga

von Michael Wüst

Blick aus dem mittleren Raum auf "Sparkle 1" von G. Timmermanns im Hintergrund. Foto: Michael Wüst

In der Galerie des Ismaninger Schlosspavillons ist noch bis zum 7. November 2021 die Ausstellung "Nachklang" zu sehen. Der wahrscheinlich von Cuvilliés, dem Älteren, 1727 erbaute Pavillon hat mittig einen achteckigen Raum mit zwei Flügeln rechts und links und öffnet den Blick auf Wiese und Park. Ein punktsymmetrischer Bau, eine Quelle. Die Ausstellungsidee der drei Künstlerinnen Gotlind Timmermanns, Inge Jacobsen und Marta Fischer zu "Nachklang" fügt sich hier musikalisch sehr gut ein.

Drei Frauen widmen ikonisch Bilder und Objekte mehr oder weniger berühmten Frauen des Kulturbetriebs im 20. Jahrhundert: Alma Mahler-Werfel, der Callas, Marilyn Monroe, Niki de Saint Phalle, Gunta Stölzl, Agnes Martin, Anne Sexton, Olga, Frau von Picasso und Frau Macke, der Frau des im 1. Weltkrieg gefallenen August Macke. Die Verteilung der Hommage-Adressatinnen von Society-Stars bis hin zum sanften Blick auf privates Schicksal umfasst das Thema des Frauseins in der Kunst und im je dazugehörigen Kommerz. Die Ausstellung erarbeitet das Thema aber nicht im Stile Hashtag-artiger Mantras, die heute so sicher wie das Amen in der Kirche kommen und auf diese Weise das Thema eben damit auch beenden, sondern im Wege der ikonographisch künstlerischen Vieldeutbarkeit, die sich nicht programmatisch fassen läßt und wenn, dann nur unter Substanzverlust. Dazu passt, dass die ausgewählten Hommage-Adressatinnen nicht alle aus dem originären Innercircle des Kreativen stammen, oder doch, dann aber im internationalen Ranking kaum aufleuchten. Oder es sind Ausnahmefrauen, die auf Spezialgebieten Karriere machten, wie Gunta Stölzl am Bauhaus.

Marta Fischer "Greta 3". Foto: Michael Wüst

Marta Fischer, im mittleren Raum, hat neben drei ungestümen Frauen-Akten, die auch in ihren reduzierten Brauntönen wirken, als wäre ein Sturm ins Gehölz ihrer Physiognomie gefahren, eine große Zahl von Miniaturbildern gemacht, die eine absolute Beherrschung im handwerklichen Können auszeichnet und die damit einen Blick in die Vergangenheit gewähren. Die erotischen Trophäen der Männerwelt, die Callas und Alma Mahler-Werfel finden sich neben der Stille der "minderen" gesellschaftlichen Karrieren von Frau Macke und Olga, einer Frau von Picasso; ebenfalls dort Gunta Stölzl, die mit der Textilkunst einen "Nebenweg" eingeschlagen hatte. Coco Chanel, dieses schillernde Luder, wäre auch eine Idee gewesen, fällt einem da ein. Und selbstverständlich gehen bei Alma Mahler-Werfel die Meinungen sehr auseinander. Sicher scheint aber, dass die Männer und Kräuterlikör in Massen Konsumierende als Salon-Influencerin chancenlos gewesen ohne den Kult ihres geheimen Eros, der - Freud macht ihn salonfähig - in der Jahrhundertwende zum Gegenstand männlicher Grübelei vom Theosophie-Eros einer Madame Blavatsky über George Batailles "Der heilige Eros" bis zu Winifred Wagner geht, die bei der Begrüssung Hitlers das Hakenkreuz bis zwischen ihre Beine hängen ließ. Dafür wissen wir heute, dass das Lied vom Heideröslein sexistisch ist. Das Pendel des Eros schlägt über hundert Jahre später in eine andere Richtung aus und es ist nach wie vor scharf geschliffen. - Nachklänge anderer Art.

Jacobsen "Icon", Hommage an M.Monroe, Stahlblech lackiert, "Don´t loose your light within", 2 Objekte ü. Kamin. Foto: Michael Wüst

Der Raum links daneben beginnt in der Ecke mit zwei abstrakten Bildern von Inge Jacobsen als Hommage an Agnes Martin. Der Ruhe der flachen Wüstenlandschaft, die Agnes Martin als ihre Seele in ihren Bildern wiedergefunden haben mag, der seriellen Struktur eines schwebenden heiligen Einverständnis stehen bei Inge Jacobsen Schichtungen gegenüber, die von tektonischen Kräften aufgebrochen scheinen. Eruptive Kraft, gleichwohl elegant. Weniger architektonisch zu deuten als grundsätzlich als emergierende Momente. Die scharfen Winkel ihrer Objekte haben dann eher etwas von einem Konstruktivismus des Vitalen, vielleicht Sexuellen. Mehr Subjekte als Objekte. Im mittleren Raum stehen vier von ihnen, Hommage an Anne Sexton, auf Podesten im Kreis wie Akteure aus der energiereichen Welt des Submateriellen. Information, Quelle. Neben "Coloratur" und "Callas singt" von Gotlind Timmermanns hängt auch ein rot auffliegender Winkel von Jacobsen mit dem Titel "Windsbraut" als Hommage an Alma Mahler-Werfel. So hatte der verliebte Komponist Ernst Krenek die sich langsam in ein Schlachtross Verwandelnde auch genannt.

G. Timmermanns, Hommage an Callas, sparkle 2, sparkle 1. Foto: Michael Wüst

Wir kommen in den dritten Raum. Gotlind Timmermanns hat bereits den Durchgang zu dem Raum farbtonal bespielt. Links und rechts neben dem Durchgang blubbern heiter aus zwei Hochformatern (Diminuendo 1u.2) Rondellos mit 20 und 30 cm Durchmesser als Adagios, ebenfalls Diminuendos und einmal Vivace rund um die Tür zu Ehren Alma Mahler-Werfels, die eine brillante Pianistin gewesen sein soll und von der als Komponistin nur wenige Lieder übrig geblieben sind - nur das wenige, das Gustav Mahler nach außen dringen lassen wollte, so zumindest eine Interpretation. Grünsilber und Lilasilber klingen die Bilder am Saloneingang  zu den wohltemperierten Gefühls-Tröpferl-Bädern der empfindungslüstern genialisch verschmerzten Spätromantiker bei "Almschi", wie ein anderer, ihr Verfallener sie nannte. Drinnen kriegt man Callas-Rot mit Großformatern ab. Sparkle 1 und 2 dominieren wie gewaltige Sternengeburten in verschiedenen Rottönen auf flirrendem Silber, das direkt auf die Leinwand aufgetragen ist und Tiefenbewegungen auslöst. Zur Spannung tragen die horizontalen Linien bei, die wie in einer Obertonreihung aufeinander verdichtet sind und dem Dissonanten zustreben. Ein Aufstieg, der im Schmerz endet. Auf Callas bezogen, denkt man an ihre legendäre Medea, während der sie am Singen zu sterben schien.

Schlosspavillon Ismaning, noch bis zum 7.11. 2021.

Veröffentlicht am: 18.10.2021

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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