Mit Cello und Fagott gegen die Angst: Wie sich ein Münchner Musiker-Ehepaar für Japan einsetzt
Während sich die Münchner nach dem Auftakt am Odeonsplatz in neuen Benefiz-Veranstaltungen engagieren (Terminhinweise im Anhang), sind die Nachrichten aus Fernost alles andere als ermutigend. Noch immer können die Strahlungslecks im Kernkraftwerk Fukushima nicht gestopft werden. Für das Münchner Musiker-Ehepaar Rebecca Rust und Friedrich Edelmann heißt es damit: abwarten. Seit vielen Jahren konzertieren die amerikanische Cellistin und der ehemalige Solo-Fagottist der Münchner Philharmoniker in Japan. Und beide haben geschafft, was bis heute kaum einem Kollegen gelang: sie dürfen mit der Kaiserin musizieren. Die Tournee im Juli ist zwar geplant. Aber die Tickets für den Flug haben sie noch nicht gebucht.
Frau Rust, Herr Edelmann, sollte man in diesen Wochen überhaupt ein Flugzeug nach Tokio besteigen?
Friedrich Edelmann: Unsere japanischen Freunde sagen uns, dass die Situation trotz aller Gefahren doch anders ist, als sie bei uns in den Medien dargestellt wird. Natürlich wäre es unvernünftig, sich in der näheren Umgebung von Fukushima aufzuhalten. Aber in diesem großen Land zwischen Sapporo im Norden und Okinawa ist das meiste so, wie es vorher war. Ausgenommen dort, wo Erdbeben und Tsunami wüteten.
Rebecca Rust: Bis Juli hoffen wir, dass man dann endlich auch etwas Positives hört. Drei Konzerte wurden schon abgesagt. Außerdem hat sich ein wichtiger Sponsor zurückgezogen, weil seine Firma zum Teil zerstört wurde und er Tote unter den Betriebsangehörigen zu beklagen hat. Trotzdem hoffen wir, dass sich die übrigen zehn Auftritte in Kyoto, Sapporo und im Großraum Tokio realisieren lassen.
Herr Edelmann, sie waren von 1979 bis 1996 unter Sergiu Celibidache Solo-Fagottist bei den Münchner Philharmonikern. Sie haben darüber ein Buch geschrieben – kurioserweise auf japanisch. Wieso?
Friedrich Edelmann: Von Freunden in Tokio bin ich immer wieder gebeten worden, meine Erfahrungen aufzuschreiben. So begann ich, für eine japanische Musikzeitschrift Fortsetzungsgeschichten über meinen ehemaligen Chef zu schreiben. Ich habe sie deutsch vorformuliert, meine Frau hat sie ins Englische übersetzt und das haben wir dann nach Tokio geschickt.
Rebecca Rust: In Japan wird Maestro Celibidache nach wie vor sehr verehrt. Ein Fagottist des Opernorchesters San Francisco, der japanisch kann, hat uns dabei geholfen, sicherzustellen, dass die Übersetzung des englischen Textes auch korrekt ist. Das Buch ist die einzige Publikation über diesen Ausnahmedirigenten, die jemand geschrieben hat, der mit ihm, oder besser: unter ihm musizierte, kein Klatsch, keine Liebesgeschichten, nur das, was seine Arbeit auszeichnete.
Unter Kollegen war Maestro Celibidache als ziemlich grimmiger Zeitgenosse bekannt.
Friedrich Edelmann: Es war ein immer ein Unterschied zwischen dem, was er vor der Presse lustvoll formulierte und dem, wie er sich privat gab, vor allem, wie er sich wie kaum ein anderer für Musiker in Not einsetzte.
Und wann gibt es das Buch bei uns?
Friedrich Edelmann: Wir wollen es auf deutsch gerne im nächsten Jahr zu Celibidaches 100. Geburtstag herausbringen. Aber dazu muss sich erst noch ein Verleger finden.
In Japan haben Sie beide ein Privileg, um das Sie beneidet werden: sie dürfen mit der Kaiserin musizieren. Wie kommt man zu dieser Ehre?
Friedrich Edelmann: Angefangen hat es 1993, als wir dem Kaiserpaar ein Stück des deutschen Komponisten Karl Michael Komma überreichen durften, das er zur Hochzeit des japanischen Thronfolgers geschrieben hatte. Im November letzten Jahres fand dann unsere insgesamt fünfte Begegnung statt.
Rebecca Rust: Das ist immer eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Die Kaiserin spielt Klavier, ich Cello. Der Rahmen ist privat, es gibt kein Publikum. Das letzte Mal musizierten wir etwa zwei Stunden zusammen. Vorab wurden wir gebeten, Programmvorschläge zu schicken. Daraus wählte das Kaiserpaar neben Bach eine Auswahl japanischer Lieder aus, die ich auch auf CD eingespielt habe.
Was bringt man denn mit, wenn man zu einem Kaiser zu Besuch kommt?
Rebecca Rust: Das letzte Mal haben wir ein Buch mit deutschen Kinderliedern mitgebracht. Die Kaiserin wollte sie gleich am nächsten Tag durchspielen, um festzustellen, welche Lieder sie kennt. Denn sie ist da gewissermaßen Expertin, weil sie selbst auch japanische Kinderlieder und Kinderbücher veröffentlicht hat.
Friedrich Edelmann: Für das nächste Mal hat sie den Wunsch geäußert, den langsamen Satz aus Schuberts Klaviertrio B-Dur mit uns zu musizieren. Was das Fagott dabei zu suchen hat, muss natürlich noch geklärt werden.
Das nächste Mal? Das wäre also im Juli.
Friedrich Edelmann: Das wissen wir nicht. Aber wir haben den Hofmarschall per E-Mail davon unterrichtet, dass wir kommen werden. Angesichts der derzeitigen Situation glaube ich aber eher, dass es diesmal zu keiner Einladung kommt.
Rebecca Rust, auf ihren CDs haben Sie sich immer wieder für unbekannte Komponisten eingesetzt, etwa Robert Kahn oder Hans Gal. Warum?
Rebecca Rust: Meine Plattenfirma Cavalli Reords will unbekannte Sachen haben. Mainstream interessiert sie weniger. Das ist mir sehr recht, denn es gibt eine Menge Musik, die es lohnt, auszugraben. Meine neue CD wird zum Beispiel Stücke des russischen Komponisten Anton Arenski enthalten Er starb 1906 im Alter von nur 45 Jahren. Seine Werke sind hierzulande gänzlich unbekannt.
Cello und Fagott ist eine eher seltene Kombination. Gibt es dafür Originalkompositionen?
Friedrich Edelmann: Von Mozart gibt es ein berühmtes Duo. In der Barockzeit hat man oftmals Celli mit Fagott kombiniert. Hans Gal, der wegen seiner ungarisch-jüdischen Abstammung während der Hitlerzeit Deutschland verlassen musste, komponierte ein Divertimento. Der Münchner Harald Genzmer schrieb für uns ebenfalls ein Divertimento. Es gibt schon einiges, man muss nur danach suchen.
Wie reist eigentlich ein Cello im Flugzeug?
Rebecca Rust: Mit eigenen Sitzplatz, auf jeden Fall nicht im Frachtraum, da könnte doch einiges kaputt gehen. Leider ist der Platz zumeist teurer, denn er kann nicht über das Internet gebucht werden, weil ein Cello ja keinen Pass besitzt.
Rebecca Rust und Friedrich Edelmann geben am Palmsonntag, 17.April, um 17.00 Uhr in der Evangelischen Friedenskirche in Starnberg ein Gedenkkonzert für die Opfer der japanischen Erdbeben- und Tsunami- Katastrophe.
Am heutigen Dienstag (5. April 2011) lädt das Cafe Luitpold zum Salon M’unique um 20.30 Uhr, diesmal mit dem Thema: Hanami – Kirschblütenfest unter Palmen. Neben einem Hanami Picknick, einer japanischen Teezeremonie und der Aufführung japanischer Märchen gibt es Musik von der Band Sasebo unter anderem mit Michael Acher und Toshi Kusaba. Auch hier ist der Eintritt frei, die Spenden gehen an das Projekt Nomadomura. Dabei handelt es sich um ein Künstlerhaus auf der Japanischen Insel Awaji-Shima, gegründet vom Münchner Filmemacher Werner Penzel und seiner Frau Ayako Mogi.
Zu diesem Thema erschien auf dem Kulturvollzug bereits ein Interview mit dem japanisch-bayerischen Künstler Kusaba.
Nachtrag (6. Mai 2011). Frau Rust und Herrn Edelmann melden der Redaktion folgende Bilanz der Veranstaltung: "Das (...) Benefiz- und Gedenkkonzert für Japan in Starnberg am 17. April war ein sehr großer Erfolg. In der Kirche waren nicht genügend Plätze vorhanden, es mußten zusätzlich Stühle gestellt werden. Die ca. 160 Personen spendeten insgesamt 3206,10 Euro. Der gesamte Betrag wurde am Donnerstag, den 21. April im Japanischen Generalkonsulat München überreicht."