Gastrokritik der Pfälzer Residenz Weinstube: Kein Anschluss unter diesen Nummern (Hinweis: diese Kritik hat einen Nachtrag)

von Michael Grill

Der Pfälzer Löwe - aus dem Wappen der alten Pfalz importierten einst die Bayern ihren bayerischen Löwen.

Essen und Trinken sind Kultur höchster Form - manchmal. Zwar sieht der Kulturvollzug seine Hauptaufgaben auch künftig nicht in der Küche. Doch einen kleinen, aber feinen Platz soll an dieser Stelle nun auch die Gastrokritik haben. Wir beginnen mit einem Münchner Klassiker. Michael Grill, Redakteur des Kulturvollzugs, ist gebürtiger Pfälzer und verband deshalb (fatalerweise) mit einem Besuch der Pfälzer Residenz Weinstube besondere Hoffnungen.

Diese Wirtschaft ist eigentlich eine schützenswerte Rarität: In allerfeinster Lage im Königshaus ein uriges Lokal mit günstigen Preisen, wo gibt’s denn sowas noch in München? Entstanden ist die Pfälzer Residenz Weinstube, als Bayern nach dem Krieg (vergeblich) versuchte, seine ehemaligen Gebiete links des Rheins zurückzubekommen: Auch wenn es mit dem Anschluss nichts wurde, der Landesverband der Pfälzer in Bayern erhielt die Weinstube als Einnahmequelle.

Der rührige Verein führt das Lokal bis heute. Es hat schwierige Zeiten hinter sich, da Schlösserverwaltung und Finanzministerium als Hausherren die Kooperation in Frage stellten, nachdem, so die Legende, ein Minister mal besonders schlecht bedient worden war. Inzwischen haben die Pfälzer umgebaut und nachgebessert, es soll wieder alles in Butter sein.

Doch die Vorfreude wurde schon beim Blick auf die Karte getrübt: Ja, sind wir hier immer noch in den 70ern? Alles ist fettig und fleischig, heftig und deftig, Geschmacksverstärker und Farbstoff hier, Nitritpökelsalz und Antioxidationsmittel dort. Offenbar sind die rasanten Fortschritte auch der Pfälzer Küche hin zu mehr Natürlichkeit und Frische an dieser Stube spurlos vorübergegangen. Als wir die Bedienung um etwas Bedenkzeit bitten, dreht der junge Mann wortlos und genervt ab.

Die Qualität der Speisen entspricht in etwa der des Service. Die Leberknödelsuppe (3.70 Euro) bietet einen ordentlichen Knödel in einem Pool aus lauwarmer fader Fleischbrühe. Beim „Salat Ziegenkäse“ (8.10) ertrinkt ein schmackhafter Käse im Honigsee, von den Salatblättern sind nur die oberen mit Dressing beträufelt worden. Die Hoffnung auf einen Pfälzer Klassiker währte ebenfalls nicht lange: Der würzige Saumagen (7.70), umspielt von matschigem, wässrigen Kraut, kommt mit Haut. Eine Spielart, die die Pfälzer Küche erlaubt, nicht aber die Festigkeit wie bei einem schlechten Braten. Wer schon mal in der Pfalz erlebt hat, wie weich und leicht ein Saumagen sein kann... Aber dazu müsste er halt frisch sein. Beim „Weißen Käse“ (6.90) ist alles ok, aber was soll man an Quark mit Pellkartoffeln falsch machen? Der Rotweinkuchen zum Nachtisch (3.70) ist karamellig und warm, er wäre ganz gut, um in den Kaffee getunkt zu werden. Der Kaiserschmarrn (6.70) kommt nach zwei Minuten und ist eher eine feste Grießschnitte.

Vielleicht kommt man wirklich nur zum Süffeln hierher? Auch das muss ein Irrtum sein. Es tut uns fast schon leid, ein so hartes Urteil über die mit Nummern sortierte Liste der offenen Weine fällen zu müssen, aber alles was probiert wird (Burgunder, Riesling, Weißherbst, Regent) ist wie Wasser mit Alkohol. Nur der Riesling hat etwas Besonderes: Auf ihm schwimmt etwas Undefinierbares, womöglich ein Fettfilm. Die Gläser sind randvoll, aber dergestalt, dass der Inhalt sofort warm werden muss. Gut, man muss halt schnell trinken, das löst manches Problem.

Ach, du arme Pfalz. Trotz der nummerierten Weine - so wird’s nicht einmal mehr etwas mit dem kulinarischen Anschluss an Bayern

Residenzstr. 1, täglich von 10 bis 0.30 Uhr, Reservierungen unter Tel. 225628, info@residenzweinstube.de

 

Nachtrag 7. März 2012

Manchmal tut eine Kritik auch dem Kritiker weh. Die zur Residenz Weinstube ist ein solcher Fall, denn diese Institution ist zu liebenswert, als dass einem ein Verriss gleichgültig sein könnte. Die auf dieser Seite zu lesende Kritik erschien auf dem Kulturvollzug und in der Münchner Abendzeitung und löste offenbar ein mittleres Erdbeben in der Residenz aus, denn sie war – ohne dass der Autor dies geahnt hätte - offenbar der Tropfen, der ein sich schon länger füllendes Fass zum Überlaufen brachte. Danach kam in der Weinstube alles auf den Prüfstand, und vieles wurde geändert, auch personell.

Neu ist dort unter anderem Geschäftsführer Johannes Müller, der einen Komplettumbau der Küche veranlasste. Außerdem Küchenchef Thorsten Mecking, der aus dem Hofbräuhaus kam. Seit einigen Monaten ist die neue Technik im Einsatz, nun fühlte sich das Team sicher genug, um die aktuelle Leistungsfähigkeit bei einer Küchenparty vor geladenen Gästen unter Beweis zu stellen.

Bei stolzen zehn Gängen wurde kulinarisch so richtig Gas gegeben. Hier eine Auswahl: Schwarzwurzelsüppchen mit Grünkohl und Speckchip, Gebackener Blutwurststrudel auf marinierten Spitzkohlstreifen (Vorspeisen), „Fleeschkneppspalte“ auf geschmorter Süßkartoffel mit Meerrettich, Kalbsfilet mit Kastanienkruste, Rotweinscharlotten und süß-saurem Kürbisgemüse (Hauptgänge), Pfälzer Weincreme mit Johannisbeeren und Karamelknusper, Kleine Aprikosen-Marzipanbuchtel auf Orangen-Vanillesauce (Desserts). Es war, zweifellos, ein Fest für den Gaumen auf durchgängig hohem Niveau.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Auf der Karte der Residenz Weinstube stehen weiterhin grundsolide Gerichte wie Kartoffelsuppe, Wurstsalat oder Rumpsteak. Doch auch diese kann man ja, sozusagen, so oder so zubereiten.

Eine Küchenparty kann keine Grundlage sein, um dies zu beurteilen. Doch zu erkennen und zu erschmecken war, dass in der Residenz Weinstube ein neuer, frischer Geist eingezogen ist, der inzwischen die Dinge auf einen deutlich besseren Stand gebracht hat. Der die Vielfalt der Pfälzer Küche wie auch deren Besonderheiten schätzt und damit kreativ umgehen will. Der die notwendige Technik und Infrastruktur dafür bereit stellt. Und der bereit ist, sich offen einer Diskussion über Mängel der Vergangenheit zu stellen.

Das verdient Respekt und gibt Anlass für Hoffnung, dass die Pfälzer Residenz Weinstube ihre besondere Rolle in der Münchner Gastronomie wieder einnehmen kann. (gr.)

 

Veröffentlicht am: 21.10.2010

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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Doris Mittermeier
25.10.2010 16:28 Uhr

Lieber Herr Grill, Ihrem Text kann ich nicht zustimmen. Man mag sich über die Qualität der Speisen streiten, aber da es sich um eine "Weinprobierstube" handelt, ist das Essen eher begleitend deftig ohne großen Anspruch. Leider haben Sie versäumt, den Flammkuchen zu bestellen, der seinesgleichen sucht.

Die Pfälzer Weine sind nicht mit den üblichen überkühlten Chardonnays anderer Lokale gleichzusetzen. Die Pfälzer kommen trotz eines hohen Alkoholgehalts von 12% - 13% eher "leicht" rüber. Das dem nicht so ist, merken Sie nach dem 2. Schoppen. Die Temperatur ist perfekt, denn ein wirklich guter Wein soll nicht bis zur Unkenntlichkeit gekühlt werden (ähnlich wie bei guten Bränden). Beim Personal gebe ich Ihnen recht - da muß man Glück haben und das hatten wir bis jetzt auch immer. Sollte es Sie noch einmal in diese urige Institution verschlagen, rate ich Ihnen zu einem 5a (Riesling), der besser und ausgewogener nicht sein kann und wenn man es sehr trocken mag, dann ist der 3a (für Diabetiker geeignet, da extrem wenig Restzucker) sehr empfehlenswert und auch die sehr saftige, fruchtige Variante der Nummer 3 ist empfehlenswert. Der Kerner (Nr. 4) ist ein halbtrockener Wein, der sehr gut alleine getrunken werden kann. Mein Mann und ich kommen sehr viel rum (sowohl geschäftlich als privat) und gehen deshalb immer wieder gerne in die "Resi" - der guten Weine wegen.

Herzliche Grüße

Doris Mittermeier

Volker Friedl
25.10.2010 19:08 Uhr

Wunderbar - großartig - genau getroffen!

Als Stammgast ärgere ich mich seit Jahren über das immer schlechter werdende Essen in der "Resi", das nur noch von der Unfreundlichkeit des Personals übertroffen wird!

Was den Wein betrifft, so sollten sich die Tester einmal durch die Karte trinken um einige sehr gute Tropfen zu finden!

Vielleicht könnte jedoch auch der Vermieter (die Schlösserverwaltung?) den wohl dringend nötigen Druck auf den Pächter ausüben um die vielen Gäste wieder glücklich zu machen!

Volker Friedl

gerhard Hönow
10.01.2011 22:40 Uhr

Ich war am 8.1. mittags dort;

Weisser und roter Traubensaft :beide ein

Gedicht!

Das Brot dazu :ein Geschenk des Hauses .

Der Gastraum : Für mich der schönste der

Welt.