Mia san nous: Bayern und Franzosen feiern Nationalfeiertag am Herzogpark und verabschieden Stéphane Visconti
Auch das ist ja Münchner Kultur: Die Feste und Empfänge, die hochoffiziell, aber doch auch irgendwie im Verborgenen stattfinden. Der französische Nationalfeiertag in der Residenz von Generalkonsul Stéphane Visconti an der Mauerkircherstraße zum Beispiel: Da herrschte ein Gedränge von Honorarkonsulen und sonstigen Abgesandten wie sonst nur in Regierungszentralen, bunt gemischt mit einem repräsentativen Querschnitt der etablierten Münchner Kulturmenschen. Von SPD-Stadträtin Monika Renner über Schlösser-Präsident Johannes Erichsen bis zu Muffatwerk-Chef Dietmar Lupfer und dem Galeristen Richard Grimm.
Das Wetter hielt, der Garten mit den antikischen Skulpturen des (natürlich ebenfalls anwesenden) Bildhauers Serge Mangin ist ohnehin ein Monument aufgeklärter Schönheit, die Schnittchen waren klein aber reichlich, das Wasser still und französisch, der gute Wein am hellen Nachmittag tat ein übriges. Der am Herzogpark rauschende, unmittelbar anliegende Isarring ist zwar nicht das rauschende Isarwasser, doch der herzliche Ausruf von Visconti - „Freunde Frankreichs, dieses Haus ist ihr Haus!“ - verschaffte ein gutes Gefühl: Freunde Frankreichs, das sind wir alle.
Der Generalkonsul blieb dann überwiegend politisch, als er mit der Ansage „Es sind nicht die Menschen, die die Ereignisse führen, sondern die Ereignisse führen die Menschen“ die Weltlage durchmaß. Vor allem der „arabische Frühling“ beschäftigte ihn, wobei sein Satz „In Libyen konnte ein Blutbad nur durch unseren entschlossenen Einsatz verhindert werden“ eine schon recht brutale militärische Geradlinigkeit hatte. Auch dass mit der Atomkatastrophe von Fukuschima „wieder ein unvorhergesehenes Ereignis eintrat“ könnte von Freunden der Wahrscheinlichkeitsrechnung gerne mal diskutiert werden. Und dann auch noch die Euro-Krise, die wir mit der „ausgesprochenen Qualität unsere Beziehungen“ zu meistern aufgerufen sind. Dass die bayerisch-französische Freundschaft „nicht nur historische Gründe hat“, beruhigte uns ungemein, denn sonst wären wir doch ein bisschen nah an der Schlacht von Höchstädt von 1704, wo Bayern und Franzosen in außerordentlich enger Beziehung von den Engländern in die Donau getrieben worden waren.
Dann sagte Stéphane Visconti „au revoir“, denn der Diplomat wird nach vier Jahren turnusgemäß versetzt und durfte zum letzten Mal an der Mauerkircherstraße feiern: „Es lebe die bayerisch-französische Freundschaft! Vive la Republique! Vive la France!“
Nun wusste man nicht so recht, was Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil bewogen hat, der bewegenden französischen Staatsherrlichkeit mit dem Satz „In diesen Tagen blicken wir nach Frankreich: Die Tour de France steht an“ zu begegnen, darauf die guten guten Wirtschaftsdaten folgen zu lassen und schließlich noch eine Veranstaltung mit dem Titel „France meets Bavaria“ zu erwähnen. Letzteres zeigt ja vor allem, welche Blüten die Anglikanisierung treibt, wenn Politik und Wirtschaft auf der Sprache herumtrampeln. Zeil, der in seiner Eigenschaft als stellvertretender Ministerpräsident gekommen war, weiter: „Dass sich unsere französischen Freunde in Bayern wohlfühlen, ehrt uns, aber es überrascht uns nicht.“ Da stockte einem schon kurz der Atem, wie er wohl aus dieser aufgeplusterten Selbstherrlichkeit wieder herauskommen wollen würde. - „Bayern und Franzosen sind Genussmenschen, die sich auf dieser Ebene blind verstehen.“ Ach so!
Dann drei Mal Hand aufs Herz für drei Hymnen – Frankreich, Deutschland, Bayern – wobei die mittlere klang, als habe da bei jemandem die Heimorgel geleiert, die beiden anderen dagegen strotzten nur so vor republikanischer beziehungsweise freistaatlicher Erhabenheit, wie das ja bei Hymnen so sein muss. Da haben sie also noch etwas gemein, Bayern und Franzosen: Mia san mia? Nous sommes comme nous somme? Mia san nous!